„Gute Geschichten werden niemals alt.“ Mit dieser Aussage begründete die Autorin und Spieldesignerin Jane Jensen die Entscheidung ihren Klassiker Gabriel Knight – Sins of the Fathers von 1993 neu für iOS aufzulegen. Jensen wurde Ende der 80er Jahre als Autorin von der damaligen Firma Sierra angeheuert. Eine Firma des Ehepaares Ken und Roberta Williams, die in den 80er und frühen 90er Jahren für zahlreiche Adventure-Reihen wie King’s Quest, Leisure Suit Larry, Space Quest oder Quest for Glory bekannt war und als größter Konkurrent von George Lucas‘ Spieleschmiede LucasArts agierte. Nachdem Jensen als Autorin an den Spielen Space Quest 3 und EcoQuest arbeitete und gemeinsam mit Roberta Williams an King’s Quest VI schrieb, bekam sie die Gelegenheit als Hauptverantwortliche ein eigenes Adventure zu entwerfen.

GK3 Herausgekommen ist schließlich der erste von drei Gabriel Knight Teilen im Jahr 1993. Zum 20. Jubiläum sollte das Spiel ursprünglich als Neuauflage für den PC erscheinen, aufgrund diverser Schwierigkeiten erschien die Neuauflage jedoch erst 2014. Ungefähr genauso lange war eine Umsetzung für das iPad angekündigt, diese Umsetzung erschien nun erst in den letzten Wochen und gibt mir somit Gelegenheit auch in der AppGemeinde über Gabriel Knight zu schreiben.

Gabriel Knight, die Hauptfigur des Adventures, ist ein Besitzer eines erfolglosen Bücher-Antiquariats in New Orleans, der Hauptstadt des Jazz und der Voodoo-Riten. Davon abgesehen, dass er dadurch kein Geld hat, um beispielsweise die einzige Angestellte des Ladens, Grace Nakimura, ordentlich zu bezahlen, stört ihn dieser Umstand nicht sonderlich. Denn Gabriels Gedanken sind woanders: Zum einen wird er von nächtlichen Alpträumen heimgesucht, die schon seinen Vater und Großvater peinigten. Zum anderen möchte der etwas chauvinistische Antiheld seinen ersten Roman schreiben, aber ihm fehlt die zündende Idee.

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Schlechte Grammatik und Ausdruck nimmt der deutschen Version die Atmosphäre

Da kommt es für Knight gerade recht, dass derzeit eine Mordserie die Stadt am Mississippi in Atem hält, welche allesamt einen Voodoo-Hintergrund haben. Ein interessanter Aufhänger für einen Roman – denkt sich zumindest der erfolglose Ladenbesitzer. Praktischerweise arbeitet sein alter Schulfreund Detective Mosley beim Morddezernat und leitet die Ermittlungen. Dieser versorgt Gabriel fleißig mit Informationen aus erster Hand. Grace dagegen unterstützt Knight mit Recherchen zu Figuren und anderen Themen, die im Lauf der Handlung eine Rolle spielen.

Welche Hintergründe die Voodoo-Morde haben, welche Rolle die gutbürgerliche Maria Gedde, mit der Gabriel eine Affäre beginnt, darin spielt und was es mit Wolfgang Ritter, ein Unbekannter aus Deutschland, der sich als Verwandter ausgibt, auf sich hat – den Antworten auf diese Fragen werdet ihr in dem rund 10 stündigen Adventure selbst auf die Spur kommen.

Während der Geschichte erfahrt ihr viele reale Hintergründe über den Voodoo-Kult und die Stadt New Orleans selbst. Seinerzeit setzte die Geschichte Maßstäbe, da wirklich viel Zeit in die Recherche investiert wurde. Hier merkt man Jensens literarische Herkunft überdeutlich. Auch heute noch zählt die Geschichte zu den intensivsten Erfahrungen, die man im Computerspielbereich machen kann. Die Charaktere sind allesamt sehr glaubwürdig gezeichnet, eine schwarz-weiß-Zeichnung sucht man vergebens. Besonders die Beziehungen unter den Figuren sind komplex und facettenreich. Eingebettet werden diese Elemente in einem spannenden Mix aus Mystery-Thriller und Kriminalgeschichte mit vielen Anleihen aus dem Film-Noir-Genre.

GK4 Anders als in den meisten Adventurespielen, besucht ihr aber nicht immer wieder neue Orte – sondern immer dieselben, denn das Spiel ist in 10 Tage aufgeteilt. Jeder Tag beginnt damit, dass Gabriel aufsteht, mit Grace eine Tasse Kaffee trinkt und sich dabei nicht nur über die aktuellen Geschehnisse ausgetauscht wird, sondern Gabriel auch mal einen seiner vielen erfolglosen Flirts startet. An jeden Tag verändert sich etwas an den Orten, an jedem neuen Tag könnt ihr mit den Figuren über neue Themen sprechen.

Gabriel Knight ist ein eher gemächliches Adventure-Spiel, welches seine Faszination erst nach und nach offenbart. Oftmals wird das Spiel mit einem Buch verglichen und dieser Vergleich ist auch gar nicht weit hergeholt, denn Dialoge gibt es überdurchschnittlich viele. Genauso wie es viele Hotspots im Spiel gibt, zu denen Gabriel etwas zu sagen hat.

Das macht das Abenteuer in der heutigen Zeit recht anachronistisch. Man wird nicht von einem Highlight zum nächsten gejagt, sondern muss sich viel selbst erlesen. Hier handelt es sich um ein Spiel, bei dem man viel selbst erforschen muss und wo man nicht sonderlich oft an der Hand genommen wird – wer aber aufmerksam den Dialogen folgt, weiß immer, was als nächstes getan werden muss. Zwischendurch werden natürlich auch allerlei Inventar-Rätsel gelöst, Codes geknackt und Detektivarbeit verrichtet. Eine eingebaute Lösungshilfe schafft Klarheit, wenn man mal nicht weiter weiß.

Und so sehr das Spiel aus inhaltlicher Sicht die absolute Höchstwertung verdient hätte, muss ich an dieser Stelle leider auch negative Dinge an der technischen Umsetzung anbringen. Das Originalspiel von 1993 fuhr eine Stardichte auf, die selbst heutige Spiele vor Neid erblassen lassen: Tim Curry, Mark Hamill, Michael Dorn, Leah Remini, Efrem Zimbalist Jr. und Jim Cummings führten den hochwertig besetzen Cast der Sprecher an. Leider gibt es die Rohdateien von damals nicht mehr und man musste das Spiel neu vertonen. Mir persönlich gefällt die neue Sprachausgabe nicht annähernd so gut wie die alte, weil sie sehr viel an Atmosphäre vermissen lässt.

Auch die grafische Neubearbeitung mag ich im Vergleich mit dem sehr düsteren Original nicht sonderlich. Keine Sorge, die Darstellungen sind allesamt sehr detailliert und machen auch auf dem iPad eine tolle Figur. Ich vermisse nur die sehr dunkle, bedrohliche Atmosphäre aus dem Original.

Das sind zwei Negativpunkte, die man geben kann, wenn man das Original kennt. Solltet ihr aber das Originalspiel nicht kennen, so werden euch diese beiden Punkte nicht auffallen. Negativ auffallen wird aber auch euch, dass die deutschen Texte häufige Grammatik- und Ausdrucksfehler beinhalten. Hier wurde seitens der deutschen Übersetzer geschlampt, anders kann ich es nicht formulieren. Es ist nicht so schlimm, dass man der Geschichte nicht mehr folgen könnte, aber gerade bei einem sehr textlastigen Spiel fallen solche Fehler einfach auf und sind nicht gerade förderlich für die Atmosphäres. Außerdem fehlt eine iCloud-Anbindung für den Speicherstand, was bei einem Spiel mit einer Größe von fast 2GB schade ist.

Noch ein Wort zum Finanzierungsmodell: Während der erste Tag im Spiel kostenlos spielbar ist, quasi als Demo, kosten die weiteren Teile des Spiels 2,99€ bzw. 3,99€. Insgesamt kostet das komplette Spiel am Ende circa 11€.

Gabriel Knight – 20th Anniversary bietet auch heute noch, ohne irgendeine rosarote Nostalgiebrille aufzusetzen, eine äußerst komplexe und hochspannende Geschichte mit tollen Charakteren, vielen realen Hintergründen über den Voodoo-Kult und der Stadt New Orleans, knackigen Rätseln und eine angenehm lange Spieldauer, die euch mehrere Abende ans iPad fesseln werden. Die deutsche Bearbeitung ist dagegen lange nicht so gut und sorgt für Punktabzug. Kenner des Originals werden zudem die originale Sprachausgabe und den düsteren Grafikstil des Originals vermissen.

[appbox appstore 972316145]
+ hochspannende Geschichte
+ komplexe und vielschichtige Figuren
+ reale Hintergründe zum Voodoo-Kult
+ knackige Rätsel
+ lange Spielzeit (ca. 10 Stunden)
+ wunderschöner Soundtrack
+ Lösungshilfe
+ englische Sprachausgabe
+ gute Neuauflage
+ intuitive Steuerung
– deutsche Untertitel mit vielen Grammatikfehlern
– Atmosphäre nicht ganz so düster wie im Original
– keine iCloud-Anbindung