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Review: Lost in Harmony – Hektische Harmonie auf dem Skateboard

Seit letztem Donnerstag ist der AppStore um einen Rhythmus-Titel reicher: Lost in Harmony hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Genre ein wenig aufzumischen und verbindet Elemente eines Musikspiels mit denen eines Endless-Runners. Das verantwortliche französische Studio Digixart war auch schon in Teilen an Valiant Hearts von Ubisoft beteiligt. Mit dieser Zusatzinfo im Hinterkopf verwundert es dann auch nicht, dass Lost in Harmony nicht nur eine wunderschön gezeichnete Grafik besitzt, sondern auch mit einer emotionalen Story aufwartet.

Im Story-Modus durchleben wir die Leidensgeschichte einer Teenagerin, deren Leben nach einem Schicksalsschlag aus den Fugen gerät. Fokus der Geschichte liegt allerdings auf ihrem Freund Kaito, durch dessen Mobiltelefon wir die Geschichte erleben. Zwischen den Missionen schreiben wir per Chat mit unserer Freundin, wobei wir keinen Einfluss auf die Inhalte der Nachrichten haben. Der Grad der Interaktion ist vergleichsweise spartanisch, reicht aber wundersamer Weise aus, um eine emotionale Bindung zu den Charakteren und der Situation zu erhalten. Das Mitlesen des Chats schafft eine intime Atmosphäre, in deren Rahmen uns das Ende der Geschichte, wenn auch sehr vorhersehbar, umso mehr ins Herz trifft.

Das Spiel besteht in der Hauptstory aus 13 Traumsequenzen, in die sich unser Hauptprotagonist flüchtet, um die Geschehnisse zu verarbeiten. Kaito fährt dabei auf seinem Skateboard auf uns zu, während diverse Objekte aus dem Hintergrund, dem Vordergrund (durch Pfeile am Bildschirmrand angekündigt) und den Seiten auf ihn zu fliegen. Diesen gilt es nach bestem Können auszuweichen. Soweit zum Endless-Runner-Part.

Auf dem Skateboard in den Sonnenuntergang…

Die Rhytmusseite der Medaille drückt sich dadurch aus, dass die Objekte im Rhytmus der Musik erscheinen und somit manchmal auch ohne visuelles Feedback erahnt werden können. Diese Levelabschnitte werden in der ersten Hälfte des Spiels regelmäßig durch pure Melodie-Parts abgelöst, in denen wir in der oberen Bildschirmhälfte im Takt der Melodie Sterne drücken beziehungsweise halten müssen. Zusätzlich zu den zwei Gameplay-Mechaniken erscheinen kleine Sternenstaub-Linien, denen wir für Extrapunkte folgen können. Außerdem drei Orbs, die wir einsammeln können, um einen Punkteschub und neue Outfits für den Hauptcharakter freizuspielen.

Lost in Harmony hat eine kleine Lernkurve und weiß mit monumentaler Musik und emotionalen Bezügen zur Geschichte eine dichte Atmosphäre zu schaffen. Vor allem die wunderschön handgezeichneten Hintergründe, die sich im Laufe des Levels um uns herum verändern, schicken uns auf eine einzigartige Reise durch Landschaft und Musik. Die erste Hälfte des Spiels fällt mit Leichtigkeit in die Rubrik der besten mobilen Spiele, die wir je gespielt haben.

Eine gute Wertung wird zunehmend fordernder.

Dies ändert sich jedoch ab dem Mittelteil schlagartig: Bereits in den ersten Traumabschnitten ist Lost in Harmony anspruchsvoll, durch die klare Trennung der Abschnitte aber noch gut spielbar. Ab der zweiten Spielhälfte vermischen sich beide Mechaniken, so dass wir sowohl auf Noten im oberen Bildschirmbereich als auch auf Objekte im unteren Bereich achten müssen. Das hebt den Schwierigkeitsgrad gehörig und verhindert regelmäßig, dass sich die Level entfalten können. Zudem steht sich die Steuerung hier selber im Weg: Der Übergang der unteren und oberen Bildschirmbereiche für Input ist fließend und es passiert oft, dass ein Note-Drücken vom Spiel als Bewegung gewertet wird und uns einen Abgrund hinunter jagt. Das fördert, aller Harmonie zum Trotz, vor allem Stress und Frustration und tötet einen großen Teil der großartigen Atmosphäre der ersten Abschnitte.

Das Treffen eines Objektes oder eben benannter Absturz beendet das Level zwar nicht, gibt aber Minuspunkte, die ein erfolgreiches Beenden des Levels unmöglich machen. Mindestens 50% der Punkte gilt es zu erreichen. Das klingt wenig, ist aber in späteren Sequenzen sehr fordernd. Wer Lost in Harmony einmal erfolgreich abgeschlossen hat, der kann die Level noch ein weiteres Mal auf höherer Schwierigkeitsstufe spielen. Diese hat (bis auf einige zusätzliche Hindernisse) aber leider keine markanten Änderungen zum normalen Schwierigkeitsgrad.

Hinzu kommt, dass sich die Spielzeit der Story in Grenzen hält. Innerhalb von maximal 90 Minuten haben wir die letzte Traumsequenz abgeschlossen und müssen uns eine andere Beschäftigung suchen. Gott sei dank bietet Lost in Harmony noch eine Option für selbst erstellte Inhalte. Mit dem integrierten Editor können Titel von iTunes oder SoundCloud direkt eingebunden und Levelabschnitte erstellt werden. Der Leveleditor ist zwar nicht annähernd so innovativ wie wir uns dies gewünscht hätten, zeigt aber das Langzeitpotential des Titels. Hier bleibt zu hoffen, dass sich in den nächsten Wochen eine aktive Community aufbaut, die regelmäßig selber neue Inhalte erstellt.

Mit steigenden Spielerzahlen erhöht sich auch die Chance auf neue offizielle Inhalte. Im Spiel befindet sich ein Countdown, der eine neue Kampagne verspricht, sobald das Spiel 100.000 Benutzer geknackt hat. Zum Zeitpunkt des Tests liegt diese Zahl jedoch erst bei knapp 400 – hier ist noch ein langer Weg zu gehen.

Ich möchte Lost in Harmony über alles loben. Ich möchte, dass das Spielgefühl und die Intensität, die mir die ersten Traumsequenzen gegeben haben, länger anhalten. Ich glaube einen ungeschliffenen Diamanten (wortwörtlich) in der Hand zu zu halten und das macht es mir umso schwerer, diesem Titel gerecht zu werden. Aus meinen Augen ist Lost in Harmony nur einige Updates und eine aktive Community davon entfernt, ein kleines Meisterwerk zu sein. Bis dahin muss ich leider einige Sterne von der Wertung streichen.

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