In Deutschland gilt eine nicht unwesentliche Rundfunkgebühr von derzeit 17,98€ für jeden Haushalt. Nicht gerade wenig. Dies sorgt natürlich dafür, dass diese Gebühr regelmäßig zurecht in Kritik gerät. Eines der beliebtesten Kritikpunkte ist der Vorwurf, dass öffentlich-rechtliche Sender altbacken sind und die Jugend nicht erreichen. Es fehle an Angeboten. Ist dem wirklich so? In diesem Artikel möchte ich eine spezifische Frage in diesem Themengebiet nachgehen: Was bieten öffentlich rechtliche Sender auf mobile Endgeräte? Also habe ich mir mein iPad geschnappt und mal geschaut, wie sich ARD und ZDF positionieren.
Grundlegendes
Bevor wir richtig einsteigen, müssen vorweg einige Dinge erklärt werden. Anders als die BBC in England, die häufig als Paradebeispiel für gute öffentlich-rechtliche Unterhaltung hergenommen wird, unterliegen ARD und ZDF sehr strengen Regularien der Politik. Diese werden regelmäßig im sogenannten Rundfunkstaatsvertrag festgehalten, an die sich ARD und ZDF halten müssen. Vertreter beider Sender haben auf die Ausgestaltung des Staatsvertrages eher wenig Einfluss, da dieser von den verschiedenen Ministerpräsidenten verabschiedet wird. Und so kann natürlich die Konkurrenz aus privater Wirtschaft mit ihren Lobbygruppen versuchen darauf Einfluss zunehmen. 2008 wurde eine bis heute sehr umstrittene Regel in diesen Vertrag festgesetzt: Es dürfen weder ARD noch ZDF ihre Sendungen länger als eine Woche online stellen, danach müssen sie diese wieder depublizieren. Zudem müssen Angebote sendungsbezogen sein. Diese Regeln gingen aus Initiativen von Lobbyisten privater Anbieter wie RTL, der ProSiebenSat1 Gruppe und diversen Verlagen wie der Axel Springer AG hervor.
Auch mit dem Kartellamt gab es schon einige Probleme. So haben ARD und ZDF sowie angeschlossene private Produktionsfirmen ein VOD-Angebot namens „Germany’s Gold“ geplant. Dort hätte man, nach Vorbild von Maxdome oder Watchever, TV-Produktionen der letzten 60 Jahre unbegrenzt aufrufen können. Etwas das bei der BBC seit Jahren Gang und Gäbe ist, wurde seitens des Kartellamts ausgebremst und mit so hohen Auflagen belegt, dass ARD und ZDF letztes Jahr schlussendlich diese Pläne begraben haben. Man könnte meinen, die Politik ist hierzulande noch im analogen Zeitalter gefangen. Hier also Politik, dort die Konkurrenz der privaten TV- und Presseanbieter. Im Endeffekt geht es natürlich um die Deutungshoheit im Internet.
Und unter diesen Gesichtspunkten sollte man auch bewerten, wie ARD und ZDF sich so präsentieren. Die ständigen Vergleiche mit der BBC, die besonders von Kritikern regelmäßig bemüht werden, sind daher häufig eher unpassend.
Das Herzstück: Die Mediatheken von ARD und ZDF
Das Herzstück der Auftritte von ARD und ZDF sind ihre Mediatheken. Schauen wir uns als erstes die Mediathek des ZDF [AppStore] an. Hier fällt die sehr moderne und strukturierte Oberfläche auf, die sich an das Design der Apple-Produkte orientiert. Man kann sich nicht nur von den Tipps leiten lassen, sondern natürlich auch die Sendungen von A bis Z durchsuchen. Sehr schön: Der Nutzer kann diverse Sendungen abonnieren und wird benachrichtig, sobald eine neue Folge der Sendung online ist. Zu sehen gibt es sämtliche aktuelle Sendungen des ZDF und dessen Digitalkanäle.
Interessierte für Computerspielkultur kommen beispielsweise bei der ZDFkultur-Sendung „Pixelmacher“ auf ihre Kosten, wer sich für gut aufbereitetes Bildungsfernsehen interessiert kommt mit den beiden Lesch-Formaten „Abenteuer Forschung“ und „Frag den Lesch“ nicht vorbei und zudem werden auch Dokus des Senders 3sat angeboten. Natürlich lassen sich auch populäre Formate wie die „heute Show“ mit Oliver Welke oder das „Neo Magazin“ mit Jan Böhmermann anschauen. Auch „das kleine Fernsehspiel“ sei zu empfehlen: Hier werden regelmäßig deutsche Independent-Filmproduktionen gezeigt!
Wenn man sich dagegen die Mediathek der ARD [AppStore] anschaut, muss man sich ein wenig umgewöhnen. Sie wirkt optisch nicht nur altbacken, auch elementare Features wie eine Abofunktion für Sendungen fehlen. Das ist gerade bei der ARD sehr schade, da in der Mediathek einige Sendungen der Rundfunkanstalten zusammengefasst werden. Sei es die Computerspielsendung „Reload“, die Satiresendung
Das ist leider das große Problem: In der Mediathek der ARD findet man nicht alles, sondern bei bestimmten Sendungen muss man bei den Mediatheken der entsprechenden Landesanstalt vorbeischauen. Das kann dann schon mal aufwendiger werden, wenn man eine bestimmte Sendung sucht und man nicht weiß, von wem diese genau produziert wird. Noch kurz zur ARD-Mediathek: Unter „Live“ ist es übrigens möglich sich sämtliche Radios der ARD zu streamen.
Ein kurzes Wort noch zu den Apps der dritten Programme. Die Mediatheken von RBB, SWR, 3sat und BR kommen im Design der ARD-App daher. Gerade die BR-Mediathek ist durch die guten, unaufgeregten Wissens- und Kulturformate von BRalpha einen Download wert. Und wer 3sat-Sendungen wie Scobel, Kulturzeit oder deren Dokus schätzt, kann sich auch diese App bedenkenlos runterladen. Dagegen wird man bei der WDR-App nur auf die Desktop-Version der Mediathek im Safari weitergeleitet! Da hätte sich der WDR die App auch gleich sparen können. Und der MDR? Tja, der macht seinem Ruf als altbackener Sender auch im mobile Bereich alle Ehre. Die App ist nicht vernünftig ans iPad angepasst und Funktionalität oder optische Reize sind Fremdwörter.
Im Bereich der Mediatheken hat das ZDF die Nase vorn – Funktionalität und Optik sind hervorragend. Dagegen herrscht bei der ARD im mobilen Bereich der ganz normale Wahnsinn, wenn sich mehrere Rundfunkanstalten zusammentun. Man findet alles irgendwie und nach einer Weile gewöhnt man sich auch dran, aber übersichtlich geht anderes. Hier muss man selbst entscheiden, was man im Endeffekt braucht und was nicht. Und sollte vorher wissen, wonach man eigentlich sucht.
Tagesschau und heute: Die Nachrichten-Apps im Vergleich
Um keine andere App wurde sich in den letzten Jahren so sehr gezofft, wie um die „Tagesschau“. Vertreter privater Anbieter wie Spiegel und Stern sehen darin einen Affront, weil die App eine kostenlose Alternative zu deren Angeboten darstellt. Und in der Tat – die „Tagesschau“ ist auch nach vielen Jahren immer noch eine gute Nachrichtenapp. Mit einfachen Wischbewegungen nach links und rechts wechselt man zwischen den einzelnen Themenbereichen.
Man kann Artikel speichern, dazu sind kleine Videos aus der Tagesschau-Redaktion abrufbar. Die Artikel sind gut geschrieben und vom Umfang her vergleichbar mit Artikel auf SPON oder dem Stern. Kein Ersatz zu Tages- oder Wochenzeitungen, aber für das alltägliche Nachrichtengeschehen absolut ausreichend. Hauptschwerpunkte sind Politik aus In- und Ausland sowie Wirtschaft. Kulturelle oder gar boulevardeske Themen finden nur am Rande statt.
Kommen wir zur App von heute [AppStore], die mittlerweile als beste Nachrichtenapp Deutschlands gilt. Statt Wischbewegungen gibt es ein übersichtliches, einblendbares Menü, welches die Unterkategorien wie Politik, Panorama oder Sport anzeigt. Während die Tagesschau eher auf Texte und Artikel setzt, arbeitet heute mit einer starken Einbindung von Videos. Häufig sind die Texte sehr kompakt, dafür lassen sich aber mehrere Videos in HD zum Thema streamen. Wie in der Mediathek kommt auch hier ein sehr modernes, aufgeräumtes Design zum Zug.
Welche App besser ist, kann ich an dieser Stelle gar nicht sagen. Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Die Tagesschau setzt mit längeren Texten und weniger Videos eher auf einen Einsatz unterwegs, wenn man kein WLAN zur Verfügung hat. Die heute-App geht mit weniger Text und vielen Videos den entgegengesetzten Weg. Somit ergänzen sich beide Apps und man wird, je nach Situation, mal mehr die Tagesschau und mehr die heute-App nutzen. Vorbildlich, dass ARD und ZDF sich in diesem Bereich keine unnötige Konkurrenz machen, sondern unterschiedliche Konzepte verfolgen.
1000 Antworten: Faszinierende Wissens-App des SWR
1000 Antworten ist eine Sendung im Radio des SWR. Hier können Hörer ihre Fragen einschicken und Experten geben darauf hin Antworten. Und damit das Ganze sich nicht so versendet, hat man diese App programmiert wo sämtliche Fragen und Antworten gesammelt und archiviert werden. „1000 Antworten“ ist dabei ein sehr passender Titel, denn man kann aus 31 Themengebieten und derzeit knapp 5000 Stichwörtern über 1600 Artikel und Wortbeiträge finden. Das Themenfeld reicht dabei von Fragen wie „Warum ist der Nachthimmel schwarz?“ über „Wie können Mücken überwintern?“ bis hin zu „Was genau ist Burn-Out?“. Es gibt eine Suche, man kann Texte und Audiobeiträge downloaden, Artikel kommentieren und natürlich auch eigene Fragen einschicken. Die Aufmachung ist eher als schlicht zu bewerten, dafür aber sehr übersichtlich. Auf jeden Fall ist es aber ein sehr schönes Angebot des SWR zur Wissensvermittlung.
Die Filetstücke: Die Apps von ARTE
Die Apps vom deutsch-französischem Kultursender ARTE muss man sicherlich gesondert betrachten. Denn auch wenn ARD und ZDF an ARTE beteiligt sind, muss sich ARTE nicht unbedingt an den deutschen Rundfunkstaatsvertrag halten. Das merkt man auch, wenn man sich das Angebot des Senders anschaut. Hier wäre natürlich die Mediathek zu erwähnen. Auch hier sind Sendungen bis zu sieben Tagen abrufbereit. Sehr schön: Es gibt eine Merkliste und die Sendungen können nach verschiedenen Themen sortiert werden. Sogar an ein Bereich mit dem Titel „letzte Chance“, wie man sie von VOD-Anbietern wie Maxdome oder Watchever kennt, hat man gedacht.
Eines der Highlights, zumindest für Freunde von Musik und Kultur, ist sicherlich ARTE Live Web [AppStore]. In dieser App werden Konzerte und Aufführungen übertragen. Dabei ist die Bandbreite sehr breitgefächert. So findet man verschiedene Pop- und Rockkonzerte, aber auch Klassik, Opern, Jazz und Blues, Weltmusik sowie Tanzaufführungen. Das Besondere: Viele Übertragungen sind ungekürzt. Natürlich sind die Videos nicht ewig online, werden aber auch nicht nach ein paar Tagen, sondern zumeist nach ein paar Wochen wieder depubliziert. Das Angebot ist dennoch sehr reichhaltig und Kulturfreunde, die längere Übertragungen auf dem Sender ARTE selbst vermissen, kommen hier auf ihre Kosten.
Eine weitere interessante Dokumentar-App ist Alma, ein Kind der Gewalt [AppStore]. Diese war über Jahre Mitglied in einer gewalttätigen Gang in Guatemala. In einem Video mit einer Laufzeit 40 Minuten erzählt sie sehr eindrücklich über ihre Erfahrungen dieser Zeit und man bekommt einen eindringlichen Einblick in die Jugendkriminalität in Zentralafrika. Während der Erzählung Almas kann man sich noch ein zweites Video hinzuschalten mit Fotos und
Leichter zu vertragen ist hingegen die sehr gelungene App Geliebte Feinde – Die Deutschen und die Franzosen [AppStore]“, die von ARTE und ZDF gemeinsam herausgegeben wurde. Dabei handelt es sich um ein eBook mit vielen Bildern und einigen Videos. Das Ebook, welches eine Dokumentarreihe von ARTE und ZDF ergänzt, geht die Geschichte der Deutschen und den Franzosen, sowie dessen gemeinsame Geschichte auf die Spur. Wo sind Gemeinsamkeiten beider Gesellschaften und Kulturen? Wo sind die Unterschiede? Diese Fragen werden in 10 Kapiteln mit kompakten Texten und Videos beantwortet. Die App erreicht dabei nicht die Informationstiefe der Dokumentationen, gibt aber einen guten ersten Einblick ins Themengebiet. So bietet die App genug Material um sich an einen ruhigen Nachmittag unterhaltsam weiterzubilden.
Die Infokanäle – DW, Phoenix und Deutschlandradio
Kommen wir zu den Infokanälen des öffentlich rechtlichen Rundfunks. Fangen wir dabei mit dem Auslandssender Deutsche Welle [AppStore] an. Die App ist eher minimalistisch und aufgeräumt – auch hier werden aktuelle Nachrichten eingeblendet, zudem gibt es die Möglichkeit das TV-Programm zu streamen sowie aktuelle TV- und Radiobeiträge abzuspielen. Leider ist die App aber im Vergleich zur umfangreichen Homepage DW.de, die auch auf dem iPad eine gute Figur macht, sehr mager ausgestattet. Auf der Homepage gibt es eine umfangreiche Mediathek und einen weitaus ausführlicheren News-Bereich sowie mehr Sprachen.
Ein Sender, der am meisten unter der Depublikationspflicht leidet, ist sicherlich Phoenix. Die Phoenix-App [AppStore] des Ereignis- und Dokumentationskanals kommt daher auch sehr minimalistisch daher: Man kann sich die aktuellen Gesprächsrunden der Woche anschauen, die Eigenproduktionen des Senders (zumeist das normale Tagesprogramm wie Bundestagsberichterstattung) live streamen, es gibt einen Prorammüberblick – das war es auch schon. Immerhin kann man noch einen Link zum YouTube-Channel finden. Hier befindet sich das geballte Phoenix-Archiv aus Bundestagsreden, Pressekonferenzen, Talkrunden, usw.
Deutschlandradio und Deutschlandfunk sind die beiden landesweiten Informations- und Kulturwellen der ARD. Mit der minimalistischen, aber doch auch hübschen App Das DRadio [AppStore] lassen sich beide Sender streamen. Möchte man ein Archiv an Wortsendungen aufrufen, so empfiehlt sich ein Besuch in die Podcast-Ecke von iTunes. Gibt man hier „DRadio“, „Deutschlandradio“ und „Deutschlandfunk“ ein, erstreckt sich ein großes Archiv verschiedenster Radiobeiträge der Sender – fein säuberlich sortiert nach verschiedenen Themengebieten.
Das Sandmännchen
Mainzelmännchen auf den Spuren Marios
Wie man sieht, bemühen sich ARD und ZDF auch auf Apples Produkten gefunden zu werden. Nicht nur mit eigenen Apps, sondern auch mit zahlreichen Abomöglichkeiten verschiedener Sendungen im Podcast-Bereich. Dabei präsentiert sich das ZDF moderner und übersichtlicher als die ARD. Bei beiden merkt man aber, dass sie nicht so können, wie sie gern wollen. Hier schlägt der aktuelle Rundfunkstaatsvertrag voll durch. Und so wundert es nicht, dass ARTE die mobilen Geräte noch progressiver und vielschichtiger nutzen kann, als „nur“ eine Bereitstellung der Mediatheken zu garantieren. Abstriche muss man auch im Livestreaming machen: Durch lizenzrechtliche Gründe kann keiner der öffentlich-rechtlichen Sender das gesamtes Programm übertragen. Abhilfe schafft hier die kostenlose App “Zattoo”, wo alle öffentlich rechtlichen Sender legal rund um die Uhr gestreamt werden.
Es wäre Zeit, dass die strengen Regularien seitens des Gesetzgebers zumindest gelockert werden, auch wenn es dann heißt, sich mit Lobbyisten aus der Privatwirtschaft anzulegen. Immerhin bezahlen wir alle Gebühren und haben somit ein Recht darauf, dass ARD und ZDF noch vielschichtiger und fortschrittlicher die neuen Medien für sich nutzen können. Dies würde uns allen zu Gute kommen.