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Review: The Banner Saga – Eiskaltes Wikinger-Epos mit Spieltiefe

Die drei Jungs von Stoic waren vorher bei Bioware und man merkt ihnen bei der Banner Saga ihre Erfahrung und Liebe zum Detail und diesem Projekt an, die auch viele Kickstarter-Supporter überzeugte. Im Januar 2014 für PC erschienen, ist es nun schon im AppStore als 1:1 Version erhältlich.

Im Laufe des Spiels entspinnt sich eine epische Geschichte im hohen Norden, zu einer Zeit als die Vikinger in ihrer Blütezeit standen. Als plötzlich die Götter starben, starb mit ihnen auch die Sonne. Menschen und Varl begannen einen Krieg. Doch bald gab es eine schlimmere Bedrohnung: Die Wüter, die mit ihren dunklen Rüstungen fast schon Robotern gleichen. So schließen die Bewohner des Landes, Wikinger und die riesigen Varl ein zweckmäßiges Bündnis und ziehen in Karawanen mit einem Banner ausgestattet gegen die Wüter in die Schlacht.

Man bekommt zu Beginn des Spiels eine ausführliche Einführung in die Kampf-Mechanik – was für mich den Einstieg allerdings sehr zäh machte. Hier werden alle Details und Erklärungen auf einen Haufen präsentiert, die man sich gefälligst merken muss. Dabei ging viel unter, ein Nachlesen oder Wiederholen der Einführung ist nicht möglich, man kann aber bei Bedarf einfach ein neues Spiel in einem anderen Spielerprofil starten. Zu Beginn ist also Aufmerksamkeit gefragt, das wäre besser gegangen, Stoic.

 

Ein reines Strategiespiel! Oder?

Nach den ersten Screenshots zu urteilen habe ich das gedacht. Doch schnell wurde klar, das die Banner Saga mehr ist – es ist mehr ein Spielbuch. Ich habe gefühlt mehr Zeit mit dem Lesen von Texten und der Auswahl von Möglichkeiten als in Schlachten verbracht – das Verhältnis ist ungefähr 4 zu 6. Die epische Geschichte ist mit gutem Deutsch geschrieben und wird kleinen Häppchen präsentiert. Auf die kurzen Situationsschilderungen muss man meist mit einer Auswahl von 3-4 Möglichkeiten reagieren, welche den Verlauf der Geschichte wirklich beeinflussen. So spielt sich auch jeder Durchlauf anders.

Angenehm ist der Perspektiv-Wechsel, da man bei vielen Kapiteln den Protagonisten wechselt und in die Rolle einer anderen Gruppe von Kämpfern schlüpft. Dabei schaffen es Stoic die Charaktere gut auszuarbeiten und man fühlt wirklich mit ihnen, wenn liebgewonnene Gefolgsleute plötzlich sterben oder Hilfe benötigen. Das Spiel hat eine enorme Tiefe, wie man sie sonst nur selten im AppStore findet. Dadurch ist auch die Spielzeit sehr lang, wie schnell ist hier eine Stunde herum und man spielt trotzdem noch ein und dasselbe Kapitel der Geschichte.

Trotzdem gibt es Micro-Management, wenn auch nur in Ansätzen: Man sollte stets seine Tagesrationen für die Gruppe im Auge behalten und bei schlechter Motivation eine Pause einlegen oder den Kriegern auch mal eine Auszeit gönnen.

 

Auf in die Schlacht!

Auch wenn die Geschichte von Schlachten mit 1.000 Varl gegen 800 Wüter berichtet, spielt man dieser immer nur als einen repräsentativen Ausschnitt mit einer handvoll Figuren. Die meisten Schlachtfelder gleichen einem Schachbrett, wo man mit bis zu sechs Gefolgsleuten gegen ähnlich viele Gegner antritt. Zu Beginn wählt man seine Kämpfer aus, bestimmt die Zugreihenfolge und platziert sie auf dem Schlachtfeld.

Die rundenbasierten Kämpfe erinnern an Schach, natürlich etwas anders und stellenweise sogar komplexer. Man zieht mit seinen Kämpfern zuerst eine bestimmte Anzahl Felder und wählt dann eine Aktion wie magischen oder physischen Angriff auf nahe Gegner. Physische Angriffe können auf Panzerung oder Lebenskraft des Gegners wirken. Ist die Panzerung hoch, hat ein Schlag nur wenig physischen Schaden – greift man aber nur die Panzerung an, zieht es in diesem Zug keine Lebensergie ab. Hier ist man immer am Abwägen und Probieren, was beim Gegner den meisten Schaden anrichtet und wie man ihn am schnellsten in die Knie zwingt. Dabei fällt dieser Effekt durch die individuelle Kombination aus Angreifer und Gegner immer anders aus. Es bleibt spannend. Der Schwierigkeitsgrad ist recht anspruchsvoll, kann aber jederzeit in drei Stufen eingestellt werden.

Ähnlich repräsentativ wie die Aufstellung ist auch der Ausgang der Schlacht im Kleinformat – verliert man, gilt damit die komplette Schlacht als verloren. Das heißt aber nicht, dass alle tot sind, sondern dass man im Nachteil ist und man sich zurückzieht. Was man genau macht, dafür gibt es (natürlich) wieder viele Möglichkeiten. Fällt ein Kämpfer in der Schlacht, steht er übrigens danach im Spiel trotzdem weiter zur Verfügung, muss sich aber eventuell ein paar Tage ausruhen.

Wichtig fürs Vorankommen ist das Aufwerten der Party-Mitglieder bei einer Pause im Lager, die man mit gewonnenen Ansehenspunkten (fürs Niederstrecken von Gegnern) in vielen Punkten aufleveln kann.

Lohnt sich die iOS Version?

Definitiv. Für mich spielt sie sich sogar besser als die PC-Variante – wieder man ein Spiel, dass wie für Touchsteuerung gemacht ist. Die App ist komplett deutsch lokalisiert, nur wenige fest integrierte Bestandteile wie Texteinblendungen sieht man kurz auf englisch. Die Zwischensequenzen sind sehr gut englisch vertont, deutsche Untertitel kann man einblenden lassen. Die Grafik sieht auf dem iPad Air angenehm scharf aus und es kann mit der bekannten Geste stufenlos gezoomt werden. Dazu läuft es auch neueren Geräten flüssig, auch die Ladezeiten sind kurz – nur mit den 1,7 GB Speicherplatz muss man leben, aber es gibt zum Glück iCloud Savegames.

Das Artwork von Arnie Jorgensen ist eine der schönsten Comicgrafiken, die ich für iOS gesehen habe – eine wahre Augenweide. Sie wurde detailliert mit der Hand gezeichnet und erzeugt eine unglaublich dichte und beklemmende Atmosphäre. Sie arbeitet zurückhaltend, aber sichtbar mit Ebenen in die Tiefe und ist geschichtlich perfekt recherchiert: Wer sich schon einmal näher mit Vikingern beschäftigt hat, wird erstaunt sein, wie historisch korrekt Kleidung, Architektur und Symbolik dargestellt wird. Trotzdem bleibt es toller Fantasy-Kram, nur das hier mit Elfen und Drachen gespart wird, sondern alles etwas realistischer angesiedelt ist.

Nicht minder begeistert der opulent eingespielte Soundtrack von Austin Wintory, der schon für die Musik im PS3 Spiel Journey verantwortlich war – was für eine Referenz! Ein Soundtrack mit passender Nordic-Folk-Anmutung, den man sich auch so anhören kann (iTunes-Link) und sollte…

Die Banner Saga ist ein großartiges und komplexes Spiel, dass sich für mich auf dem Touchscreen noch einen Ticken besser spielt als mit der Maus. Hier wurde bis in kleinste Detail an der Optik gefeilt, hier stimmt die authentische Kleidung der Wikinger bis hin zur Fibel, hier wurde aus vielen nordische Sagen und Mythen eine ganz eigene und atmosphärische Spielwelt entwickelt. Dazu noch das wunderbare Artwork und der grandiose Soundtrack – allein schon das hat mich überzeugt. Vom Gameplay hat es mich eher überrascht: War ich zu Beginn auf ein reines Strategiespiel mit rundenbasierten Kämpfen aus, entwickelte sich Banner Saga recht schnell zu einem gut geschriebenen Spielbuch, bei dem man genauso viel Zeit mit Lesen und Multiple-Choice-Fragen verbringt, wie in den Kämpfen selbst. Der erste Teil der Sagag ist trotz kleiner Schwächen gelungen. Man kann das Spiel nur jedem Strategen wärmstens ans Herz legen, der dem Lesen von Texten und einer komplexen Schach-Variante nicht abgeneigt ist. Die Banner Saga ist perfekt für viele dunkle Winterabende, die man damit unterhaltsam verbringen kann.

[appbox appstore 911006986]
+ grandioses Artwork
+ authentische Optik
+ tolle Atmosphäre
+ komplexes Gameplay
+ strategische rundenbasierte Kämpfe
+ zufällige Spielbuch-Elemente
+ Rollenspiel-Elemente
+ drei Schwierigkeitsgrade
+ verschiedene Protagonisten/Perspektiven
+ lange Spielzeit
+ 5 Spielerprofile
+ schöne Animationen
+ frei zoombar
+ gewählte Entscheidungen beeinflussen Gameplay
+ keine InAppKäufe
+ kinoreifer Soundtrack
+ deutsch
+ iCloud Savegames
+ GameCenter-Anbindung
+ Universal-App
– langatmiger Start
– viel Speicherbedarf (1,7GB)
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