Die renomierten Entwickler von Telltale Games sind die Meister der interaktiven Geschichten im Bereich der Videospiele. Und auch 2016 stehen die Räder bei Ihnen nicht still, denn mit dem Story Mode von Minecraft, der dritten Staffel Walking Dead und Batman haut die Softwareschmiede aus Kalifornien so viel Lizenz-Futter wie noch nie auf den Markt. Vom Indie-Entwickler zu einem der größeren Namen in der Branche – dieser Übergang geht selten ohne Abstriche. Etwas, dass wir mit der mobilen Fassung der ersten Episode von Batman: A Telltale Series schmerzhaft in Erfahrung bringen mussten.

Die mobile Portierung von Batman erschien bereits zwei Wochen nach dem Release der Hauptfassungen für Konsolen und den PC, augenscheinlich um etwas mehr Zeit nach iOS 10 und zur Optimierung der Versionen für iOS und Android zu bekommen. Wozu diese Zeit investiert wurde, ist uns allerdings ein Rätsel, denn die iOS-Version von Batman: A Telltale Series ist so dermaßen schlecht, dass es uns zeitweise die Sprache verschlagen hat.

Die zwei Seiten der dunklen Medaille

batman ios

Natürlich trifft man viele bekannte Charaktere…

In Batman geht es um den gleichnamigen Rächer aus dem DC-Universum, mit Fokus auf dem Mann hinter der Maske, Bruce Wayne. Die Entscheidung, dass Hauptaugenmerk mehr auf den charismatischen Milliardär als auf sein alter Ego im Latexmantel zu legen, gibt dem grundsätzlich bekannten Spielprinzip den richtigen Kniff. Ähnlich wie bei anderen Telltale-Titeln handelte es sich hier mehr um eine interaktive Geschichte, die von unseren Entscheidungen geprägt ist. Dabei sind die Szenen im Spiel eingeteilt in einige actionlastige Sequenzen als Batman und diplomatische Konversationen in der Haut von Bruce Wayne.

Und so legen wir als schwarzer Ritter beispielsweise direkt zu Beginn eine Horde Krimineller lahm, indem wir (ähnlich wie in den Arkham Spielen von Rocksteady) auf die Angst-Taktik setzen: Nach und nach lassen wir unsere Widersacher durch Quick-Time-Events vor den Augen der Kollegen verschwinden und nehmen uns einen nach dem anderem vor. Gelingt uns das lange genug fehlerfrei, können wir zudem einen großen Takedown auslösen, um unserem Gegenüber etwas spektakulärer die Lichter auszupusten.

Diese Sequenzen sind dennoch allesamt vorgegeben und gescriptet, die Art der Aufmachung macht das Ganze jedoch interessanter und dynamischer als wir es gewohnt sind. Zudem müssen wir als Batman hin und wieder auch Detektiv spielen und an Tatorten Hinweise kombinieren. Das ist verglichen mit anderen Adventure-Games zwar sehr einfach, gibt aber immerhin schon etwas mehr Interaktivität mit der Umgebung als bei vielen anderen Titeln des Entwicklers. Zudem trägt es zur düsteren Krimi-Atmosphäre bei.

Als Bruce Wayne auf der anderen Seite sieht das Ganze schon etwas anders aus. Wir beginnen das Spiel, um auf einer Veranstaltung Geld für Harvey Dent im Wahlkampf als Bürgermeister einzutreiben und müssen dabei bereits in den ersten Minuten eine Vielzahl an Entscheidungen treffen. Deren Auswirkungen können wir zwar noch nicht komplett einschätzen, allerdings fühlen sie sich so an, als wenn sie einen großen Einfluss auf das weitere Spielgeschehen haben könnten.

Milliardär Wayne läuft hier zum Beispiel Gangsterboss Carmine Falcone über den Weg und wir haben einige Optionen, wie wir uns als einer der mächtigsten und bekanntesten Männer der Stadt gegenüber diesem Kriminellen in der Öffentlichkeit geben. Es scheint so, als müssten wir hier gute Miene zum bösen Spiel machen, damit Falcone die Unterstützung für Dent bietet, während wir im Hinterkopf wissen, dass dies vermutlich schwierigere Konflikte für Batman auf den Plan ruft.

Ebenfalls interessant wird sein, wie viel Auswirkungen die Entscheidungen in diesem Spiel wirklich haben werden, denn Telltale war in ihren bisherigen Spielen gut darin, dass sich Entscheidungen wichtig und gravierend anfühlten, im Endeffekt aber nur wenig ausgelöst haben. Das ist zwar nicht schlecht, wir warten dennoch bis heute noch auf ein Spiel von Telltale, das uns mehrere verschiedene Enden zur Verfügung stellt und damit den Entscheidungen mehr Tragweite gibt.

Das Spiel ist übrigens in englisch gut vertont und hat deutsche Untertitel. Es bietet iCloud Savegames und hat keine InAppKäufe – von den kommenden vier Episoden mal abgesehen…

Die Technik schreitet voran, Telltale zurück?

Durch die Benutzung einer neuen Engine haben sich auch die technischen Anforderungen an das neue Spiel erhöht: Telltale empfiehlt für Batman mindestens ein iPad Mini 4, ein iPad Air 2 oder ein iPhone 6/6+. Dies zumindest auf der amerikanischen AppStore-Seite, in der deutschen AppStore-Beschreibung fehlt dazu gleich jeglicher Hinweis. Unter der Rubrik „Kompatibilität“ wird hier sogar ein iPhone 5S, iPad Air und ein iPad mini 2 aufgeführt.

batman ios Wir haben die iOS Version von Batman: A Telltale Series mit einem iPhone 6+ und einem iPad Air 2 getestet und können diese Einschätzung der Mindestanforderungen leider absolut nicht teilen. Vorhergegangene Spiele aus dem Hause Telltale sahen auf den iGeräten allesamt gut und scharf aus, auch die Ladezeiten störten nicht. Mit der neuen Engine sah sich Telltale aber anscheinend gezwungen, die Optik herunterzuschrauben, um das Spiel lauffähig zu bekommen. Das Resultat ist verblüffend…

Batman sieht nicht nur deutlich schlechter aus als die anderen Fassungen (PC, Xbox, Playstation) und ist damit das bisher unansehnlichste Spiel des Studios für iOS. Die Auflösung wurde so weit heruntergeschraubt, dass die Spiel-Figuren und Schriften unscharf und verwaschen wirken. Das Sahnetupferl: Die Framerate sackt dennoch ständig ein und macht ein Spielen teilweise unmöglich. Quick-Time-Events wie Kämpfe lassen sich stellenweise überhaupt nicht absolvieren, weil das gesamte Spiel in einer Tour stottert (und dabei noch nicht einmal gut aussieht).

Und als wäre das noch nicht genug…

Der größte Nerv-Faktor des neuen Batman-Spiels für iOS sind aber seine Ladezeiten. Stellenweise verstreichen Minuten, in denen das Spiel gemütlich vor sich hin lädt. Diese Ladebildschirme sind nicht nur lästig, sondern auch öfter zu sehen als das eigentliche Spiel (wobei die erste Episode rund 2 Stunden Spielzeit bietet). Alle paar Minuten müssen wir einen solchen Ladebildschirm erdulden, der den (sowieso stotternden) Spielfluss dann komplett zerstört.

Wer sich diesen Test bis hier hin durchgelesen hat und immer noch kaufwillig ist, für den gibt es noch einen kleinen Bonus: Komplette Teile des Spiels fehlen auf der iOS-Version! Bereits zu Beginn des Spiels wurde eine komplette Konversation zwischen Bruce Wayne und Butler Alfred einfach heraus geschnitten und restlos ersetzt. Ratet gegen was. Minutenlange Ladebildschirme.

Batman: A Telltale Series für iOS ist in der Theorie ein gutes Spiel, leidet aber unter einer miesen Umsetzung. Auch die angegebenen Mindest-Anforderungen sind zum normalen Spielen eindeutig falsch gesetzt oder gar nicht erst angegeben. Auf den allerneuesten iOS Geräten läuft es etwas flüssiger, aber auch hier haben viele Spieler mit Abstürzen und Ladezeiten zu kämpfen. Warum es zudem nicht möglich war, den visuellen Standard vorheriger Teile zu halten, warum die iOS Umsetzung schlechter aussieht UND schlechter läuft und warum Teile ganz gekürzt wurden, bleibt ein Rätsel. Wir hoffen und bitten Telltale Games inständig, dies schnell zu beheben, denn derzeit (Version 1.0) ist der Titel keine Empfehlung. Holt euch das Spiel lieber für eine andere Plattform, da es dort anständig läuft, komplett ist und es preislich auch keinen Unterschied zur iOS Version macht.

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