Alles beginnt mit einem kleinen Brief. Den bekommt der alte Mann, der oben auf einer Klippe am Meer wohnt. Ohne zu Zögern schnürt er nach der Lektüre seinen großen Rucksack und zieht los. Was wohl so Wesentliches darin stand? Old Man’s Journey (von Broken Rules / Salon Alpin) zieht von der ersten Sekunde in seinen Bann, woran nicht nur die fantastische Retrografik schuld ist.

Ich habe das Spiel für euch getestet, ob es auch mehr zu bieten hat, als nur die grafische Komponente…

Der alte Mann und das Meer

Old Man's Journey

Die kleine Story wird in Bildern erzählt.

Das Spiel dreht sich um einen alten Mann, der in seinem Leben zwischen seiner Sehnsucht nach dem Meer und seiner Familie hin- und hergerissen ist. Mehr will ich an dieser Stelle nicht verraten. Die Story ist nicht außergewöhnlich, im Grunde sogar sehr kurz, aber wird mit schönen Bildern erzählt.

Überhaupt kommt das Spiel ohne Text, Tutorial oder Erklärungen aus. Und es funktioniert. Leider sind die Schiebe-Puzzle aber auch sehr einfach, so dass man praktisch nie steckenbleibt oder grübeln muss. Old Man’s Journey will seine Geschichte erzählen und lässt den Spieler quasi die Reise selbst machen – ohne ein anspruchsvolles Rätselspiel sein zu wollen.

Old Man's Journey

Die Puzzle-Mechanik: Man verschiebt die Ebenen der Spielwelt.

Die Steuerung ist denkbar einfach: Mit einem Finger an den gewünschten Ort tippen und der alte Mann läuft los. Soweit der Plan. In der Praxis kommt er aber nicht überall hin, wozu eine weitere Spielmechanik auf den Plan tritt: Er hüpft von einer Hintergrund-Ebene zur nächsten, so dass man diese meist erst passend verschieben muss. Dazu werden gelbe Hilfslinien eingezeichnet.

Im Herzen ist Old Man’s Journey also ein kleines Puzzle-Spiel, bei dem man optisch etwas unwirklich (aber eindrucksvoll) die Landschaftsebenen verschiebt und dem alten Mann mit verdeckten Hindernissen den Weg ebnet. Später kommen noch Hindernisse wie Schafe oder Mauern hinzu, die einem den Weg versperren. Aber auch hier hat man die Mechanik schnell verstanden und kommt ohne Probleme vorwärts.

Ein alter Mann ist kein D-Zug

Schon alleine die Aufmachung ist den Kauf wert. Wer ein Auge für gutes Artwork hat, kann sich auf jedem Bildschirm erneut satt sehen. Ich habe für ein Review noch nie so viele Screenshots gemacht. Mich hat der Grafik-Stil mit seiner 60s Ästhetik übrigens stark an das empfehlenswerte Adventure Broken Age erinnert. Dazu kommt eine grandios angepasst Musik in Mischung mit Naturgeräuschen. Das macht eine wunderbare Atmosphäre und den Einsatz von Kopfhörern fast zur Pflicht.

Old Man's Journey

Immer mit der Ruhe.

Passend zur Thematik lässt sich Old Man’s Journey oft Zeit. Der alte Mann ist stets behäbigen Schrittes unterwegs und auch so manche Spielsequenz wirkt recht in die Länge gezogen. Was für manche Spieler vielleicht langatmig oder langweilig wirken könnte, wirkte für mich trotzdem stimmig. Das Spiel will kein Actiontitel sein, sondern zuerst seine Geschichte erzählen und dabei dichte Atmosphäre aufbauen. Und das schafft es. Insgesamt ist es mit rund einer Stunde Spielzeit ein eher kurzes Spiel.

Für Old Man’s Journey könnte man einige Kritikpunkte aufführen: Es hat nur wenig Spielzeit, die Puzzle-Mechanik ist sehr einfach, manche Spielabschnitte wirken künstlich in die Länge gezogen und die Story hätte man auch in zwei Minuten erzählen können. Dennoch bekommt das Spiel von mir die Höchstwertung. Ganz einfach, weil man hier eine echte Indie-Perle bekommt, was man an jedem Pixel merkt. Wer sich auf Spiele dieser Art einlassen kann, bekommt ein liebevoll gemachtes Puzzle-Spiel mit wunderschön gemalter Grafik und grandiosem Soundesign. Das Spiel bietet keine Innovationen, doch das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile: Old Man’s Journey schafft ein erinnerungswürdiges Spielerlebnis, mit dem es Spieler berührt. Und das gelingt nicht vielen.

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