Wie heißt es so schön: Wer Arm und Familie verliert, mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Oder so ähnlich. Das trifft zumindest auf die Protagonistin Sasha aus Drinkbox Studios neuem Slasher Severed zu, die – zugegebener Maßen – einen mehr als schlechten Start in den Tag erwischt hat. Ohne große Umschweife wirft uns das Spiel ins Geschehen und lässt uns aus der Ego-Perspektive ergründen, was eigentlich genau mit uns passiert ist…
Die Erklärung ist so einfach wie depressiv: Ein Monster hat unsere Familie entführt und unseren linken Arm abgetrennt. Wer bis zu diesem Punkt noch auf ein fröhliches Familienabenteuer (oder einen Handstand) geglaubt hat, wird also bitter enttäuscht. Mit vorsichtigen Schritten gehen wir in diese unheilvolle Welt hinaus und versuchen den Verbleib unserer Familie zu ergründen.
Glücklicherweise ist uns der erste Dämon ins unserem Pfad gleich zuckersüß gestimmt und gibt uns nicht nur ein paar (gruselig) warme Worte, sondern auch eine lebendige Klinge mit auf den Weg, um uns den Weg durch die dämonischen Horden zu ebnen. So depressiv die Geschichte um Sasha ist, so belanglos ist sie auch. Sie dient mehr als Stein des Anstoßes, um uns in diese sehr atmosphärische Welt loszulassen.
Wie gemacht für den Touchscreen
Severed ist dabei komplett auf die Steuerung mit Touchscreens angepasst und funktioniert auf iOS deutlich besser als auf der PS Vita. Mit einfachen Fingertipps bewegen wir uns durch flache Umgebungen, die wir per Multitouch genauer untersuchen können. Per Druck auf die Bildschirmränder drehen wir uns um 90 Grad, ein Druck in die Mitte lässt uns geradeaus in die nächste Umgebung latschen. Hier und da gibt es ein paar Tontöpfe zu zerschlagen und ein paar Hebel zu bedienen, das war es dann aber auch schon so ziemlich in punkto interaktive Umgebungen.
Etwas ungewohnt dabei ist das Überblenden der Umgebung bei der Fortbewegung, die bei längeren Spielsessions fast schon eine Art Bewegungsübelkeit hervorrufen kann. Ansonsten ist die Steuerung außerhalb jedweder Kampfhandlungen gut gelöst. Hier und da ist die Steuerung ein wenig zu unpräzise, so dass wir uns öfter mal ein paar Felder zu weit bewegen als geplant. Zudem ist es sehr schwierig, in den ganzen Überblenden einen Überblick zu behalten, so dass die Mini-Map eine unentbehrliche Notwendigkeit bei der Fortbewegung ist.
Severed zeigt sich dabei immer von seiner schönsten Seite: Wunderschönes Artwork, Dämonen, Hintergründe und eine Farbauswahl (die auch angenehm an Guacamelee! des Entwicklers erinnert), die im positiven Sinne für Gänsehaut sorgt. Untermalt wird dies von atmosphärischen Tönen und Musik, was die audiovisuelle Präsentation zu einer guten Erfahrung macht.
Zur Sicherheit immer eine Armlänge Abstand
Beim Durchforsten diverser Tempel und Wälder laufen uns zwangsläufig einige Monster über den Weg, die sich bereits ein Feld vorher durch eine kleine lodernde Flamme auf dem Bildschirm ankündigen. Diese zeigt zwar den nahenden Konflikt an, allerdings nicht welche Dämonen uns erwarten. Das eigentliche Kampfsystem ist erfreulich simpel in der Theorie, bietet aber vor allem im späteren Verlauf genügend strategische Tiefe. Aufgrund offensichtlicher körperlicher Restriktionen (armlos, aber mitnichten harmlos) kann Sasha kein Schild tragen und muss dementsprechend nur mit der Klinge auskommen.
Das zugrunde liegende Kampfsystem ist der Infinity Blade Serie sehr ähnlich, aber etwas komplexer: Per Wischbewegung attackieren wir, mit Bewegungen entgegen eingehender Attacken können wir diese parieren. Lange Bewegungen landen dabei schwerere Treffer als kurze. Im Verlauf des Spiels erlernen wir neue Fähigkeiten wie das Aufladen einer Attacke (für mehr Schaden oder Panzerungen zu durchbrechen), Gegner kurzfristig einzufrieren oder gar deren positive Buffs zu stehlen. Auf sich allein gestellt sind all diese Features sehr simpel anzuwenden, die eigentliche Taktik kommt mit der steigenden Anzahl an Gegnern. In der Regel stehen uns bis zu vier Monster gegenüber, die sich in 90° um uns herum anordnen. In einigen Ausnahmesituationen lauern uns sogar bis zu acht Dämonen auf.
Verschiedene Gegnertypen agieren nach verschiedenen Schemata. Einige bauen langsam eine Attacke auf, während andere in unregelmäßigen Abständen sofort attackieren. Durch kleine Symbole am Bildschirmrand wissen wir dabei im Kampf immer, welche Monster sich um uns herum befinden und wann diese attackieren. So kann man die nächsten Schritte gut planen – Kämpfe verwandeln sich somit in Reihenfolge geplanter Schritte. Jedes Parieren und jede Attacke muss schnell geplant werden, um am Ende eines Kampfes mit möglichst wenig körperlichem Schaden davonzukommen.
Auge um Auge, Arm um Arm
Bei dem Trauma unserer Protagonistin ist es nicht verwunderlich, dass auch die Psyche einen Knacks davon getragen hat, den auch die Aussicht auf einen Behindertenausweis für bessere Parkplätze nicht mindern kann. Um die eigenen Fähigkeiten und Attribute zu verbessern, verstümmeln wir unsere Gegner rachsüchtig, sammeln deren abgetrennte Gliedmaßen ein und tauschen für Updates ein. Ein makaberes System für ein makaberes Spiel.
In allen Kämpfen laden wir durch parierte Angriffe und Combos eine Leiste auf, die uns am Ende des Kampfes – sofern voll – die benötigten Extremitäten oder Augen präzise entfernen lässt. Ein interessantes Feature, das nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die Kampfstrategie hat.
In der guten Tradition aller Slasher gibt es natürlich auch Bosskämpfe zu bestehen, die ich persönlich (im Vergleich zu den normalen Auseinandersetzungen) aber als ziemlich trivial und einfach empfand. Zudem sind einige Rätsel im Spiel vertreten, die in ihrer Komplexität jedoch nie über das Bestätigen ein paar Schalter, das Nutzen von Portalen oder das Finden von Schlüsseln hinaus gehe. Zudem wird ein Ableben nicht wirklich bestraft. Sobald Sasha stirbt, starten wir mit voller Lebensanzeige erneut. Das macht das ganze Unterfangen wenig frustrierend, nimmt aber manch Situationen auch die Herausforderung.
Wer gerne auf Erkundungstour geht, der kann zudem nach Herz- und Hirnstücken Ausschau halten, um die eigene Lebens- und Mana-Anzeige zu erweitern. Wer dies alles geschafft hat, sollte am Ende bei rund sechs Stunden Spielzeit angelangt sein. Das ist sicherlich nicht das längste Spiel der Geschichte, dafür bietet es aber über die kompletten Spielzeit pure Unterhaltung ohne unnötige Passagen, um die Spieldauer künstlich zu verlängern.
Insgesamt ist Severed eine sehr positive Überraschung. Ein einfach zu erlernendes, aber dennoch tiefes Kampfsystem mit intuitiver Touch-Steuerung und verrückter Atmosphäre in einem noch verrückteren Setting machen das Spiel zu einem erfreulichen Erlebnis auf der mobilen Plattform. Einige Design-Entscheidungen stoßen mir dabei jedoch etwas sauer auf, das ist jedoch Meckern auf hohem Niveau. Wer nötige das Kleingeld über hat und mal wieder etwas originelles (wortwörtlich) in der Hand halten möchte, der ist mit Severed mehr als gut bedient.
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