Bisher hatte ich die Welt von Shadowrun noch nicht auf dem Schirm. Leider. Denn es verbindet gekonnt eine düstere „Cyberpunk“- Welt mit Elementen aus dem Fantasybereich und so treffen Magie, Elfen und Heldensagen auf moderne Technik und dubiose Großkonzerne, die untereinander Machtkämpfe austragen und dabei nicht vor grausamen Experimenten zurückschrecken.

Das von Harebrained Schemes entwickelte Spiel Shadowrun: Dragonfall – Director’s Cut basiert auf dem gleichnamigen Pen-and-Game von 1989 und war ursprünglich eine Erweiterung für das 2013 veröffentlichte Shadowrun: Returns [AppStore]. Die Stand-Alone-Edition von Dragonfall übertrifft aber seinen quasi Vorgänger im Bezug auf Umfang und Spiellänge und ist meiner Meinung nach in Sachen Story und Missionsdesign noch ausgewogener gestaltet.

Shadowrun: Dragonfall - Director's Cut

„The Safehouse“ dient als Hauptquartier

Aber warum gehört Shadowrun: Dragonfall nun zur alten Schule? Erschien das Spiel doch erst 2014 für iOS. Erstmal das Offensichtliche: Die Präsentation des Spiels wirkt, gemessen an heutigen Standards, einfach altbacken. Es gibt keinerlei Sprachausgabe oder Zwischensequenzen. Alle Ereignisse werden in Textform erzählt und nur im seltensten Fall visuell unterstützt. Und die Grafik ist eher zweckdienlich, als hübsch zu beschreiben.

ABER: Shadowrun Dragonfall besitzt auch sämtliche Tugenden, die eben jene Rollenspiele der späten 90er/ frühen 00 Jahre zu Klassikern macht und Spieler, die Baldur’s Gate oder Planescape Torment gespielt haben, bekommen hier definitiv nostalgische Gefühle.

Shadowrun: Dragonfall - Director's Cut

Unterhaltsame Dialoge trotz fehlender Sprachausgabe

Zum einen motiviert eine packende Geschichte rund um die vom Spieler gesteuerten Gruppe von Shadowrunnern, die bei einem Auftrag im distopischen Berlin zufällig auf der Abschussliste einer mysteriösen Gruppierung landet. Beim Versuch deren Pläne zu vereiteln wird man mit allerhand Wendungen, moralisch Entscheidungen und den Gerüchten um den Drachen Feuerschwinge konfrontiert.

Zu Beginn des Spiels erstellt man seinen individuellen Charakter und wählt aus einer von fünf Rassen und sechs verschiedenen Klassen. Diese bestimmen aber nur die Anfangsattribute und im Spielverlauf lassen sich die Werte frei anpassen. Man hat also noch die Möglichkeit vom angriffsstarken Magier zum standhaften Nahkämpfer zu wechseln, oder man man probiert einen Mix aus beidem.

Shadowrun: Dragonfall - Director's Cut

Unser „Decker“ muss sich beim Hacken feindlicher Programme erwehren.

Die restlichen Gruppenmitglieder werden automatisch aufgewertet und man wählt bei Levelaufstieg nur Fähigkeiten zur Spezialisierung der vier Haupt-Mitstreiter, die mir bis zum Ende der rund 15 – 20 Stunden Spielzeit (je nach Spielstil) sehr ans Herz gewachsen sind.
Auf Wunsch lassen sich auch zusätzliche Kämpfer für einzelne Missionen anheuern. Diese stehen dem Spieler nur temporär zur Seite und lassen sich auch nicht individualisieren. Auch die große Auswahl aus über 200 Fern- und Nahkampfwaffen, Zaubern und Hilfsgegenständen, wie Medipaks oder Granaten lädt zum Ausprobieren ein.

Shadowrun: Dragonfall - Director's Cut

Fast jede Tür lässt sich öffnen, die nötigen Fähigkeiten vorausgesetzt.

Das Missionsdesign der Haupt- und Nebenaufträge ist abwechslungsreich und fordernd. Meist gibt es mehrere Möglichkeiten ein Hindernis zu überwinden und selbst der kleinste Nebencharakter, der einem begegnet, hat eine interessante Geschichte zu erzählen. Den Verlauf der kurzweiligen Dialoge und den damit verbundenen Ereignissen kann man durch eine Vielzahl von Antwortmöglichkeiten beeinflussen was auch zu unterschiedlichen Spielenden führt. Dabei fällt so manches Schimpfwort und es wird eine – hervorragend zum Setting passende – englische Sprache verwendet. Lediglich ein paar kleine Abstürze des Spiels (3 mal in 20h Spielzeit) und kurze „Freezes“ in den Kämpfen habe ich aus technischer Sicht zu bemängeln. Die Touch-Steuerung funktioniert tadellos.

In der heutigen Zeit muss ein Spiel im besten Fall super aussehen, nicht zu schwer oder komplex sein und viele verschiedene Gameplay-Elemente enthalten, um eine breite Masse von Spielern anzusprechen. Das dies nicht nur Vorteile mit sich bringt, merkt man auch bei Rollenspielen. Da bekommt man schon mal stumpfe Actionklopper und Open-World-Einheitsbrei oder sogar einen „U-Boot Simulator“ wie DragonAge Inquisition vorgesetzt. Da ist ein Spiel wie Shadowrun: Dragonfall – Director’s Cut mit seiner schlichten Präsentation geradezu erfrischend. Für alte Hasen bietet das Spiel in Sachen Gameplay zwar keine Überraschungen, was aber Jammern auf hohem Niveau ist. Shadowrun konzentriert sich eben auf das, was mir bei einem Rollenspiel wichtig ist. Eine packende Geschichte in einer tiefen Welt mit dichter Atmosphäre. Versteckte Schätze und interessante Charaktere wecken Entdeckerdrang. Dazu kommen noch fordernde rundenbasierte Kämpfe, eine Menge Entscheidungsmöglichkeiten und Freiheiten, die zum mehrfachen Durchspielen einladen.

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+ packende Story und Charaktere
+ leichte OneTouch-Steuerung
+ viele Waffen und Fähigkeiten               + dichte Atmosphäre
+ lange Spielzeit ~20h
+ guter Elektro-Soundtrack
+ keine InAppKäufe
+ GameCenter-Anbindung
+ Universal-App
– englisch
– keine iCloud Savegames
– keine Sprachausgabe