Terra Mystica ist eines der beliebtesten Aufbau- und Wirtschaftsbrettspiele (kurz „Eurogames“) der letzten Jahre. Zugleich gehört es jedoch auch zu den komplexeren Vertretern seiner Art. Beim Öffnen der massiven Spielebox grüßen hunderte Spielsteine, Plättchen und Karten. Das Team von Digidiced traut sich dennoch (nach vergleichsweise kleinen Projekten wie den Zweispielervarianten der Eurogame-Klassiker Agricola und Le Havre) nun an die Aufgabe heran, diesen „Brocken“ von einem Spiel als mobile App umzusetzen.

Einfache Idee, komplexer Aufbau

Terra Forming Dabei ist die Ausgangssituation noch relativ einfach: Verschiedene Völker konkurrieren auf einer Hexfeld-Karte um begrenzten Bauplatz für ihre Siedlungen. Wer nach einer mindestens 45 Minuten – je nach Spielerzahl aber auch mal deutlich länger dauernden Partie – den eindrucksvollsten Aufbau auf dem Brett vorweisen kann, hat gute Chancen zu gewinnen. Jedem Volk wird dabei grundsätzlich ein Landschaftstyp zugeordnet, auf dem es bauen darf. Andersartige Felder müssen zunächst per Terraforming angepasst werden.

Seine Kernspannung bezieht das Spiel dabei aus dem zwiespältigen Verhältnis gegenüber den Mitspielern. Einerseits stören diese mal gezielt und mal durch bloße Anwesenheit die eigene Ausbreitung. Andererseits gibt es Bonusressourcen (vom Spiel erklärt als „Handel“), wenn ein Konkurrent in der Nähe Gebäude errichtet oder ausbaut. Der nachbarschaftliche Frieden währt angesichts der letztlich knallharten Konkurrenz um Siegpunkte und Regionen jedoch stets nur vorübergehend.

Das Studium des Regelwerkes

Terra Mystica

Zu Beginn einer Partie steht Terra Forming an

Doch wie schaffe ich es nun eigentlich meine Konkurrenten in Schach zu halten? Hier steckt der Teufel im Detail des 20-seitigen Regelwerks. Die beiden Basisressourcen – Arbeiter und Gold – braucht man für fast alle Aktionen, angefangen beim Terraformen und Gebäudebau. Darüber hinaus können Spezialaktionen in Form von Zaubern gewirkt werden, sofern die dazu nötige Macht vorhanden ist. So lassen sich beispielsweise zusätzliche Spaten dazukaufen, die zum Terraformen über mehrere Landschaftstypen hinweg benötigt werden.

Terra Mystica Doch damit ist es noch lange nicht getan. So lassen sich zudem Priester anheuern, die den Spieler in einem von vier Kulten voranbringen können, welche der Abschlusswertung zuträglich sind. Im Verlauf einer Partie sammeln die Spieler darüber hinaus Gunstplättchen, die bestimmte Effekte auslösen. Werden genügend zusammenhängende Gebäude errichtet, entsteht eine Stadt, die wiederum eine Stadtmarke mit zusätzlichen Boni abwirft.

Je nach Volk ergeben sich noch weitere Zusatzaktionen: So können die Hexen beispielsweise nach dem Errichten einer Festung pro Runde kostenlos ein zusätzliches Wohnhaus errichten. In jeder Spielrunde sind außerdem immer wieder neue Bonus- und Wertungskarten aktiv, die zu verschiedenen Zeitpunkten ganz unterschiedliche Aktionen vergünstigen oder mit zusätzlichen Punkten belohnen können.

Gut in die digitale Welt gerettet

Wer eine erfolgreiche Partie bestreiten will, muss nun all diese Faktoren, mit denen mehr oder weniger vom ersten Zug an geplant werden kann, im Blick behalten. Das in der App enthaltene Tutorial tut sein Möglichstes, auf alle Aspekte einzugehen, kann diese jedoch nur streifen. Das naturgemäß vollgepackte Interface tut, insbesondere auf dem Smartphone, sein Übriges zur anfänglichen Überforderung. Die erfreuliche Ausnahme bildet dabei die Aktionsübersicht, die durch das Tippen auf das eigene Volksicon erreicht werden kann und gerade zu Beginn einen unverzichtbaren Ankerpunkt für Neuspieler darstellt.

Zum tieferen Spielverständnis führt letztlich nur das (zumindest teilweise) eingehende Studium der Spielanleitung. Oder eben der Sprung ins kalte Wasser mit Partien gegen die KI. Selbige liegt aktuell nur in drei „leichten“ Varianten mit unterschiedlich viel Bedenkzeit vor, schwerere Gegner sollen aber „in Kürze“ dazukommen. Doch aufgrund der Komplexität des Spiels wird auch der vermeintlich einfachste (und tatsächlich gar nicht mal so doofe) Computergegner zumindest Einsteiger ordentlich fordern. Und bis die systemischen Zusammenhänge erst vollends begriffen sind, ist vielleicht ja schon das KI-Update da.

Man muss sich dessen bewusst sein, dass Terra Mystica keine leichte Kost ist. Verglichen mit anderen Brettspielen stellt es vielmehr eine Mammutaufgabe dar. Wer ein Spiel für Zwischendurch sucht, wird schon vom umfassenden und dennoch nicht wirklich ausreichenden Tutorial abgeschreckt. Für Hardcore-Brettspieler und Rundenstrategen mit Willen zur Einarbeitung in ein langfristig tiefes Spielsystem liefert Digidiced hier aber mehr als solide Qualität und meistert auch die Herausforderung, ein stets gut bedienbartes mobiles Interface für einen derart komplexen Titel umzusetzen. Wer weiß, worauf er sich einlässt, kann gerne zugreifen!

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