Wenn man als Spielejournalist, sei es professionell oder nur auf Basis eines Hobbys, ein Interview mit einem Spiele-Publisher führt, geht man immer auch einen unausgesprochenen Deal ein: Ich gebe Dir Platz für Dein Produkt, Du gibst mir eine interessante Story. Nur allzu häufig wird auf diese Weise die Grenze zwischen PR und Journalismus aufgehoben, denn die Story wird all zu gerne unter’m Tisch fallen gelassen. Diesen Trend wollen wir mit einem tiefgründigen Interview begegnen. Was läuft eigentlich falsch im Mobile Gaming? Was motiviert die Münchner Firma FDG Games, Deutschlands ältester Publisher für Mobile Games, dazu auf Konsolen zu gehen? Wie gestaltet sich das Veröffentlichen von Spielen in den Stores von Apple und Google?

Über das und noch sehr viel mehr habe ich mit Philipp Döschl, Mitbegründer der Firma FDG Entertainment, ein sehr langes, ausgesprochen ehrliches und wie wir hoffen auch informatives und unterhaltsames Interview geführt. Am Rande geht es natürlich auch um das nächste große Spiel Monster Boy, das sich anschickt der nächste ganz große Wurf der Firma nach Oceanhorn zu werden.

 

Hallo Philipp und willkommen in der AppGemeinde. Bevor wir richtig ins Thema einsteigen: Stell Dich kurz unseren Lesern vor. Wo liegen Deine Aufgaben als Geschäftsführer bei FDG? Und welchen Bezug hast Du privat zu Videospielen und wann haben Dich Videospiele das erste Mal gepackt?

FDG

Das Team von FDG

Servus! Das ist tatsächlich schon SEHR lange her, mittlerweile ziemlich genau 30 Jahre. Mit 4 Jahren habe ich meinen ersten Atari bekommen, ich kann mich aber leider nicht mehr daran erinnern welcher genau und welche Spiele das waren. Lediglich an ein Sidescrolling Shoot‘ em Up kann ich mich erinnern, mit einem gelb-roten Doppeldecker. Ich suche dieses Spiel seit Jahren vergeblich… Falls jemand das Spiel kennt, bitte melden…

Kurz darauf habe ich mein erstes NES bekommen, durch das ich auch einen meiner besten Freunde und langjährigen Geschäftspartner bei FDG kennengelernt habe: Thomas Kern. Zusammen haben wir bereits 1998 Dreamcast TOT@L gestartet, eine der zwei größten deutschsprachigen Dreamcast Webseiten. Bereits damals sind wir von SEGA zur Spielwarenmesse eingeladen worden, haben News, Previews, Reviews und exklusive Interviews veröffentlicht. Das war für uns der Anfang in der Spielebranche.

2001 haben wir dann zu dritt FDG gestartet, nur mit eigenem und sehr schmalem Kapital. Daran hat sich bis heute nichts geändert, außer dass das Kapital zum Glück nicht mehr ganz so schmal ist wie am Anfang. Das Geschäft führe ich nicht alleine, sondern mit meinen beiden Partnern Thomas und Markus.

Derzeit ändert sich mein Aufgabengebiet etwas. Der Fokus verlagert sich von der Produktion weg, hin zu PR, Marketing, Business Development, auf Veranstaltungen reisen um dort unsere Spiele sowohl der Presse wie auch Spielern zu zeigen und vieles mehr. Ich werde der Produktion allerdings immer treu bleiben, nur mit weniger Projekten, die unter meiner Fuchtel entstehen. Derzeit arbeite ich meine Projekte ab, damit ich mich nächstes Jahr auf die Vermarktung unserer Konsolentitel sowie nur ein „eigenes“ Projekt konzentrieren kann. Den restlichen Projekten werde ich mit etwas Abstand als Produzent zur Seite stehen. Dafür arbeite ich in meiner Freizeit an ein paar Ideen und Prototypen und hoffe einen ganz bestimmten davon nächstes Jahr in die Tat umzusetzen.

 

Viele unserer Leser werden FDG durch Spiele wie Oceanhorn, den beiden Across Age JRPGs, Blueprint 3D oder auch Banana Kong kennen. Ihr habt jedoch mit schwarz-weißen Java-Spielen für Feature Phones angefangen. Damit seid ihr einer der ältesten Publisher auf dem Mobile Markt. Wie hat sich damals die Branche gestaltet? Spiele auf Handys waren damals ja auch noch nicht so verbreitet.

puzzle world

Puzzle World – Eines der frühen JAVA-Spiele

Am Anfang war alles noch relativ gut: Man hatte direkte Verträge mit den Operatoren (also O2, Vodafone, etc…) bzw. Portalen. Vom Endkundenpreis haben wir damals zwischen 50% und 70% erhalten, was fair war. Zur Erinnerung: Spiele haben damals zwischen 3€ und 6€ gekostet. Über die Zeit sind allerdings immer mehr Verträge aufgekündigt worden und es war notwendig, über Reseller und Distributoren zu gehen, um die Spiele unters Volk zu bringen. Am Schluss waren zwischen uns und dem Kunden bis zu vier Instanzen, die jeweils bis zu 70% abgegriffen haben. Da blieben uns pro Download gerade mal 20 bis 50 Cent. Was bei der geringen Menge an Downloads damals, gerade einmal ein paar Tausend im Monat, bei weitem nicht ausreichend war.

Zudem kommt hinzu, dass einer unserer wichtigsten Distributoren uns einen hohen fünfstelligen Betrag nicht ausgezahlte und mit diesem in Konkurs ging. Eine unschöne Situation, bei der wir wirklich Existenzängste bekommen haben und knapp an der Insolvenz vorbei geschrammt sind. Doch dann kamen die Smartphones, allen voran Apple mit iOS und dem iPhone. Wir haben unser letztes Geld zusammengekratzt und Bobby Carrot Forever umgesetzt, welches uns zum einen bei Apple die Tür geöffnet hat, zum anderen genug Geld in die Kasse gespült hat um unser nächstes Spiel Parachute Panic zu finanzieren. Seitdem geht es stetig bergauf.

Heutzutage ist vieles besser: Jeder kann mit einem Klick weltweit seine Spiele veröffentlichen, das Internet hat eine andere Bedeutung als damals und macht somit vieles einfacher. Auch über die Beschwerde vieler Entwickler 30% für Apple, Google & Co seien übertrieben viel, kann ich nur lachen. Wir kennen anderes von früher…
Das der Markt derzeit in eine, meiner Meinung nach, falsche Richtung mit dem ganzen Free-to-Play läuft (kostenlose Spiele mit InAppKäufen, z.B. Clash of Clans oder Candy Crush Saga, nachfolgend F2P genannt), Analytics- und datengetriebenen „Spiele“ samt dem dazugehörigen Bullshit-Bingo von Retention, ARPU und MAU/DAU ist wieder eine andere Geschichte…

Und warum wir mit JAVA-Spiele angefangen haben? Das war einfach die einzige Möglichkeit für uns im Spielemarkt Fuß zu fassen. Thomas und ich wollten schon immer Spiele machen, am liebsten auf Konsole. Der Weg mit einem eigenen Studio dorthin zu gelangen war für uns als Quereinsteiger ohne Coding- und Grafikkenntnisse nur so möglich.