Etwas unerwartet erschien diese Woche schon die neueste Umsetzung von Phoenix Wright für die iOS Plattform. Ursprünglich wurde das japanische Adventure bereits letztes Jahr als Download für das Nintendo 3DS veröffentlicht und erfährt nun, wie schon die ersten drei Phoenix Wright Teile, eine Umsetzung für iPhone und iPad.

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Die Neue im Team: Athena Cykes

Japanische Adventures sind im Westen seit jeher ein Nischen-Genre – in Japan hingegen geht das Genre zurück bis auf die alten MSX-Heimcomputer (der verlinkte Wiki-Artikel hat hier unrecht) und es erfreut sich seit jener Zeit auf Computern und Konsolen größter Beliebtheit. Dabei handelt es sich um visuell inszenierte Mangas, die meistens spielerisch nicht sonderlich viel bieten außer ein paar Entscheidungen oder kleinen Rätseln. Im Vordergrund steht das stringente Erzählen einer Geschichte und somit das Lesen.

Auch bei der Phoenix Wright Reihe steht die Geschichte im Vordergrund – anders als viele Genre-Kollegen bietet Phoenix Wright aber auch kleine Rätsel. So sind die einzelnen Fälle in zwei Teile aufgeteilt: Untersuchung und Gerichtsverhandlung. In der Untersuchungsphase schaut man sich die Tatorte an, spricht mit abgedrehten Charakteren und sucht nach Hinweisen. Adventure-typische Rätseleinlagen gibt es hier aber nicht. Sondern dieser Teil ist viel mehr dafür geeignet, sich mit den Tathergängen vertraut zu machen und genau zu beobachten. Dann geht es in die Gerichtsverhandlung: Hier tritt man als Verteidiger gegen einen Staatsanwalt an, der mit fiesen Tricks spielt. Im Mittelpunkt stehen hier die Kreuzverhöre mit Zeugen und Tätern. Es gilt fortan Widersprüche anhand der Gerichtsakte oder der speziellen Fähigkeiten (dazu später mehr) aufzudecken.

Was auf dem Papier sehr trocken klingt, entpuppt sich im Spiel als ein abgedrehtes Spektakel voller Spannung und Klamauk. Die Reihe war noch nie eine ernste Gerichtssimulation, sondern immer eine sehr unterhaltsame Parade an verrückten und überzeichneten Charakteren. So tritt Euch im fünften Teil Dual Destinies der verurteilte Mörder Simon Blakquill als Staatsanwalt gegenüber. Ein äußert herrischer Zeitgenosse, der zudem auch noch von einem Falken begleitet wird, dem er mehrmals gegen Anwälte, Zeugen und natürlich den, wie immer, naiven Richter hetzt.

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Auch Apollo ist wieder mit von der Partie

Anders als in den Vorgängern wird die Geschichte nicht nur aus der Sicht von Phoenix erzählt, sondern auch Apollo Justice sowie Neuzugang Athena Cykes nehmen auf dem Pult der Verteidiger Platz. Alle drei haben je eine übernatürliche Fähigkeit: Phoenix kann Lügen anhand von minimalster Mimikänderungen entdecken, Apollo kann dagegen Psychoblockaden aufbrechen und Athena ist gut darin Emotionen zu lesen. Ist ein Zeuge beispielsweise unpassend freudig, so kann Athena dies nutzen, um den Zeugen weiter in die Enge zu treiben. Leider werden aber diese Fähigkeiten, wie alles im Spiel, streng nach Skript eingesetzt. Ein freies Lösen ist somit nicht möglich, sondern man muss sich an das Drehbuch der Entwickler halten. Dies ist eben eines der großen Unterschiede zu westlichen Adventures.

In vielen Reviews wird daher immer wieder bemängelt, dass die Phoenix Wright Teile keine wirklichen Spiele seien. Hier liegt dann der klassische Clash der Kulturen vor: In Japan gelten japanische Adventures auch nicht als klassische Videospiele, sondern als eine Weiterführung von Mangas und Animes auf Computer und Konsolen. Als solche verstehen sich diese Titel und somit auch die Phoenix Wright Reihe. Es ist unfair, genau diese fehlende Interaktion dem Titel vorzuhalten. Im Gegenteil, bietet die Phoenix Wright Reihe doch eine noch vergleichsweise hohe Interaktion.

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Das alte Gerichtsgebäude liegt in Trümmern

Aber kommen wir zur eigentlichen Geschichte, über die ich noch gar nichts geschrieben habe. Ich werde aus Spoilergründen diesen Absatz auch sehr kurz halten, denn ein Phoenix Wright liest man am besten ohne große Vorkenntnisse. Nur so viel: Der Titel spielt in der sogenannten „dunklen Zeit“. Eine Zeit, in der das Vertrauen der Menschen in die Justiz erschüttert ist, Verteidiger und Staatsanwälte die Verhandlungen nur noch als sportliche Wettbewerbe sehen. Es passt daher sehr gut, dass das alte ehrwürdige Gerichtsgebäude zu Anfang des Spiels in die Luft gesprengt wird und über den Rahmen der fünf einzelnen Fälle sich die Hintergründe jener Tat langsam aufklären. Während die einzelnen Fälle in sich abgeschlossen sind, entwickeln sich im Hintergrund dennoch ein episodenübergreifender Storyplot. So wäre auch die Vergangenheit von Athena Cykes zu nennen, die in der Geschichte einen großen Teil einnimmt. Ansonsten bekommt man, was man erwartet: Viele überraschende Twists, Intrigen und ein altbekannter Staatsanwalt, der im Hintergrund seine Fäden spinnt. Schaut Euch einfach die kostenlose Einführungsepisode an, um Euch ein genaueres Bild zu machen.

Die Reihe ist bisher immer durch die tadellose und rasante Präsentation aufgefallen. Auch der neueste Teil macht da keine Ausnahme. Selten gibt es kleine Anime-Sequenzen, ansonsten wird die Geschichte aber normal mit vielen Standbildern und Animationen erzählt. Dabei ist die Grafik auf iPhone und iPad fantastisch gelungen und macht einen besseren Eindruck als auf den 3DS, da man sich in dieser Portierung wieder mehr dem plastischen Manga-Stil verschrieben hat, statt nur auf 3D-Modelle zu setzen, die es in dieser Version natürlich ebenfalls gibt. Dennoch passen diesmal die verschiedenen Grafikstile besser zusammen. Und auch dieser Teil kann wieder mit einem tollen Soundtrack inklusive der altbekannten Fanfaren begeistern.

Ganz klar, Phoenix Wright – Dual Destinies ist etwas für die Leseratten sowie Manga- und Animefans unter Euch. Vorkenntnisse aus den Vorgängern sind nicht unbedingt von Nöten, aber hilfreich um die vielen Anspielungen der Charaktere untereinander zu verstehen. Leider wurde die 3DS-Version letztes Jahr ohne deutsche Lokalisation veröffentlicht (was zu einem Shitstorm der deutschsprachigen Fans führte), auch hier gibt es nur englische Texte. Überdurchschnittlich gute Englischkenntnisse sind unbedingt erforderlich um das Adventure genießen zu können. Denn das Sprachniveau ist durch die vielen Wortwitze und Spezialbegriffe zu hoch, um die Texte mit einfachen Schulenglisch übersetzen zu können.

Die kostenlose App beinhaltet die zweistündige Einführungsepisode, alle weiteren Episoden können für insgesamt 13,99€ freigeschaltet werden. Dazu gibt es eine, von der großen Handlung losgelöste, Bonus-Episode für 4,49€. Der Gesamtumfang beträgt bei Dual Destinies rund 25 Stunden, man bekommt also ordentlich Inhalt für sein Geld! Die Portierung ist dazu verdammt gut gelungen und sieht auf iPad und iPhone gleichermaßen fantastisch aus! Fazit: Wieder mal eine tolle Umsetzung von Capcom, weiter so!

[appbox appstore 882362024]
+ spannende Einzelfälle
+ tolle, episodenübergeifende Storyplots
+ abgedrehte Charaktere
+ insgesamt sehr umfangreich
+ tolle Manga- und Animegrafiken
+ eingängiger Soundtrack voller Ohrwürmer
+ Dialoge auf sehr hohem Niveau
+ GameCenter-Anbindung
+ Universal-App
– nur auf englisch verfügbar
– kein iCloud-Support