Was erwartet man im Jahr 2017 eigentlich von einer Veröffentlichung im Mobile-Bereich? Diese Frage stellt sich aktuell mit der Veröffentlichung der Mega Man Mobile Spiele von Capcom. Die ersten sechs Teile der Kultreihe von 1987 wurden jüngst für iOS und Android veröffentlicht. Nun darf man schon nach der Ernsthaftigkeit dieser Veröffentlichungen ob der Qualität dieser Ports ein Ausrufezeichen setzen.
Mega Man auf dem Touchscreen
Um eins vorweg zu nehmen: Diese Ports sind grässlich und unspielbar. Die durchgängige Framerate dieser Ports ist weit von Gut und Böse. Schaut euch einfach das verlinkte Gameplay-Video an. Das sagt mehr als tausend Worte. Dazu gibt es keinen MFi Controllersupport, keine Extras wie Artworks, Soundtracks und dergleichen. Seelenlos wäre noch ein Euphemismus für diese Veröffentlichungen. Und nein, das stockende Gameplay liegt nicht am Aufnahemeprogramm oder ähnlichem: Ihr werdet es genauso vorfinden, solltet ihr tatsächlich Geld dafür ausgeben.
Umso tragischer sind diese Veröffentlichungen aus der historischen Sicht zu werten. Dazu werte ich nicht nur die jüngsten Portierungen für iOS und Android, sondern auch die technisch miserable Legacy Collection aus dem Jahr 2015 für PC und Konsolen – auf die ich später noch näher eingehe.
Es gibt auch gute Portierungen…
Remakes und Portierungen der klassischen Mega Man Teile gibt es seit den 16bit-Tagen.
Als erste nennenswerte Veröffentlichung wäre The Wily Wars für den SEGA Mega Drive aus dem Jahr 1994 zu nennen. In diesem Spiel wurden die ersten drei NES-Abenteuer des blauen Roboters nochmal als Remake aufgelegt. Es wurde nicht nur die Grafik und die Musik überarbeitet, sondern auch das Sprungverhalten, das bei einigen Hardcore-Fans geteiltes Echo hervorrief. Dennoch handelte es sich um ein sehr ambitioniertes Projekt. Die Bonuslevel nach Beendigung der drei Originalabenteuer waren zudem ein schönes Extra.
1999 erschien in Japan für die Playstation eine Sammlung, die bis heute als die ultimative Version der alten Mega Man Abenteuer darstellt: Rockman Complete Works. Hierbei handelt es sich um die erste Sammlung aller 6 NES-Spiele des Franchise. Wer schon einmal die NES-Teile gespielt hat, weiß: Technisch haben sie die Nintendokonsole mit all den Sprites und Animationen an ihre Grenze gebracht. Was sich in den Spielen nicht nur durch leichte Einbrüche der Framerate bemerkbar machte, wenn auf dem Bildschirm viel los war.
Auch das Flackern der Sprites war ein Zeichen dafür, dass der Grafikprozessor des NES Probleme hatte, alle Grafiken zu berechnen und anzuzeigen. Die Versionen für die Complete Works haben diese Probleme bereinigt, denn es handelte sich nicht einfach nur um eine Emulation, sondern um echte Portierungen, basierend auf den alten Programmcodes. So boten die Versionen für die Complete Works nicht nur ein butterweiches Gameplay bei durchgehend 60 Frames per Sekunde, es gab auch keine Grafikfehler mehr.
Diese Versionen wurden fünf Jahre später, 2004, auch im Westen unter den Namen Mega Man Anniversary Collection veröffentlicht und erschienen für die Playstation 2, die Xbox und den GameCube. Die japanische und westliche Version boten zudem eine Menge Bonusmaterial wie Artworks, Flyer, originale und überarbeitete Soundtracks. Zudem wurden die Complete Works Versionen später noch einmal im PSN für die PS3, PSP und PS Vita veröffentlicht.
2006 erschien zudem nochmal ein Remake des allerersten Mega Man Spiels für die PSP namens Mega Man Powered Up. Diese bot zeitgemäße 2.5D Grafik, neben den alten Levels gab es auch komplett neue Levels, einen Level-Editor und andere kleine Boni. Da diese Version sehr früh in der Lebenszeit der PSP erschien, floppte das Spiel in Japan und eine geplante Fortführung kam nicht zu Stande.
Dieser kurze Abriss zeigt es schon: Mit den Remakes und Portierungen der alten Mega Man Teile hat man sich bis dahin immer wieder Mühe gegeben. Und dann erschien die Mega Man Legacy Collection für den PC, Xbox One, PS 4 und den 3DS. Von der Präsentation her eine sehr schöne Veröffentlichungen mit viel Zusatzmaterial. Aber wer jetzt denkt, Capcom hätte logischerweise die perfekten und technisch sauberen Complete Works Versionen benutzt, wird enttäuscht. Als Basis diente ein nur mäßig akkurater NES-Emulator und die ROMs der alten NES-Teile. Das heißt: Grafikfehler und Slowdowns inklusive.
Wer die Complete Works Versionen nie gespielt hat, dem ist das sicherlich nie aufgefallen. Aber wer sie gespielt hat, war über die sogenannte „Legacy Collection“ mehr als enttäuscht. Natürlich waren die Spiele nicht so unspielbar wie jetzt die Mobile Versionen, aber eben auch nicht so fluffig wie die Complete Works Versionen. Capcom hat diese Kritik nie zum Anlass genommen da noch einmal nachzubessern. Getreu nach dem Motto: Fresst oder lasst es. Und das ist leider eines von vielen Beispielen wie Capcom mittlerweile mit seinen alten Franchise-Marken umgeht, welche die Firma einst zu einem der wichtigsten Herstelle für Videospiele machte. Irgendwann in den 80ern und 90ern.
Und nun das…
Nochmal zurück zu den Mobile-Versionen: Man kann sich schon fragen, wer auf die Idee gekommen ist Mega Man auf Smartphones und Tablets veröffentlichen zu wollen. Eine Reihe, die wie keine andere, so sehr auf genaueste Eingaben ausgelegt ist, um den sehr schweren, aber fairen Schwierigkeitsgrad zu meistern. Selbst wenn diese Versionen technisch sauber wären, muss man trotzdem die Sinnhaftigkeit in Frage stellen, für Geräte zu veröffentlichen, für die nur ein Bruchteil der Spieler einen haptischen Controller haben. Es bleibt eine nicht zu Ende gedachte Idee.
Und in diesem desolaten technischen Zustand erweist Capcom dem Mobile Gaming einen Bärendienst. Wollen wir wetten, dass schon wieder einige Spiele-Journalisten bereitstehen, um dasselbe alte Mantra herunterzubeten, dass Spiele auf Smartphones und Tablets ja sowieso nur minderwertiger Dreck, wenn nicht sogar die Ausgeburt des Höllenfürsten selbst sind? Wahrscheinlich hat man bei Capcom staunend bemerkt, wie Nintendo mit ihrem eher mäßigen, aber technisch zumindest sauberen Super Mario Run für einen kurzen Hype und viel Interesse gesorgt haben. Und nun wollte man auch was vom Kuchen abhaben.
Statt nun aus SEGAs Sonic-Desaster vor ein paar Jahren zu lernen, macht Capcom nun genau dasselbe. Wir erinnern uns: Auch da gab es ursprünglich richtig miese Ports der ersten Sonic-Spiele, bis ein Christian Whitehead in Eigenregie sehr saubere Versionen in monatelanger Kleinstarbeit programmierte und sich so einen Job bei SEGA angelte. Ähnliche Anstrengung hätte Capcom auch mit diesen Mega Man Titeln anstellen müssen. Da hilft auch kein Update, die Dinger müssen von Grund auf neu gebaut und technisch auf die Infrastruktur von iOS und Android angepasst werden. Das hat Capcom verpasst und darf sich nun völlig zurecht die Häme im Netz gefallen lassen.
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