Wenn die Apple Watch aktuell ein Problem hat, dann ist es das Fehlen eigener Apps, die das System voran bringen. So umfangreich das Angebot auch ist, die wenigsten Entwickler haben bisweilen einen Weg gefunden, die Plattform sinnvoll zu nutzen, um neue Erlebnisse zu schaffen, die im Umkehrschluss eine Apple Watch überhaupt begehrenswert machen. Eine signifikante Gaming-Erfahrung schien in diesem Zusammenhang erst recht als unrealistisch. Dieser einfache Umstand ist Grund genug, dass die Ankündigung von Square Enix mit Cosmos Rings ein exklusives RPG für die Apple Watch zu veröffentlichen nicht nur überraschend war, sondern damit auch die Erwartungen immens steigerte.
Die größte Herausforderung für ein Spiel auf der Apple Watch ist, die natürlichen Limits der Plattform nicht nur anzuerkennen, sondern in das Spielkonzept einfließen zu lassen: Im Sinne einer Uhr ist es essentiell, sehr kurze Spielsessions möglich zu machen und diese mit dem periodischen Kontrollieren bzw. Nutzen einer Uhr in Einklang zu bringen. Dieser Umstand allein limitiert die Möglichkeiten eines umfangreichen Rollenspiels am Handgelenk. Das heißt jedoch nicht, dass wir hier von einem unmöglichen Unterfangen sprechen. Bereits kurz nach Release der Apple Watch schaffte es Runeblade eine Art RPG-Erlebnis auf die Apple Watch zu bringen. Im direkten Vergleich zu dieser kostenfreien (und mit IAPs gewürzten) Konkurrenz muss Cosmos Rings bei dem Premium-Preis von 6-9 Euro und einem namhaften Entwickler deutlich mehr auf den Tisch legen um zu überzeugen. Mit diesen einleitenden Worten wollen wir nun aber endlich auf das eigentliche Spiel zu sprechen kommen und schauen, ob Cosmos Rings den benötigten frischen Wind auf die Plattform bringen kann.
Der Ausgangspunkt von Cosmos Rings ist schnell erklärt: Wir schlüpfen in die Rolle des Zeitgotts, der mit der Zeitgöttin über das Zeitgefüge wacht. Den Menschen wiederum ist das gnadenlose Fortschreiten der Zeit aber so gar nicht recht, worauf wir als mitfühlende Gottheit uns dazu entschließen die Zeit zu stoppen. Unsere bessere Hälfte ist von diesem Vorhaben jedoch alles andere als begeistert und zerspringt vor Wut spontan in mehrere Fragmente. Nun ist es an uns, diese Fragmente im sogenannten Rift wiederherzustellen und den Fluss der Zeit erneut in Gang zu bringen, um unsere geliebte Göttin wieder zu bekommen.
Autonome Rennmaschine
Die durchaus spannendste Frage zu Beginn: Square Enix spricht von einem umfangreichen RPG, doch wie sieht so etwas auf einer Uhr aus? Die Bezeichnung RPG ist hier durchaus lose anzuwenden, freilich können wir keine frei begehbaren Welten erwarten, Orte erkunden oder gar andere Dinge tun, die wir seit jeher mit einem RPG verbinden. Das grundlegende Spielprinzip ist also viel simpler gehalten. Es handelt sich bei Cosmos Rings eher um ein “Idle Game”, dass im Sinne der Definition nur einfache Benutzereingaben, sprich das Tippen auf das Watch-Display benötigt, um voran zu schreiten.
Ein Spiel zieht sich über acht Tage, die in jeweils 12 Stunden unterteilt sind. Jeder dieser Tage erzählt die Geschichte eines oder mehrerer Menschen, die sich aus verschiedensten Beweggründen das Stoppen der Zeit gewünscht und sich so ihr eigenes zeitloses Paradies geschaffen haben. Über den Verlauf der jeweils zwölf Stunden liegt es nun am Spieler, diese Beweggründe zu erkennen und zu bekämpfen, damit die Zeit an diesen Orten wieder fortschreiten kann.
Der Protagonist läuft somit in einer Endlosschleife durch das Rift der Zeit und attackiert automatisch auftauchende Monster. Pro Stundenabschnitt gibt es eine fixe Anzahl dieser Wesen, die besiegt werden müssen, bevor es darum geht, einen stärkeren Zwischengegner zu besiegen und weiter voran zu schreiten. Der Clou an der Sache ist: die Zeit. Obwohl wir uns in einem zeitlosen Raum bewegen, läuft die Zeit permanent gegen uns. Dieser Countdown ersetzt quasi unsere Lebensanzeige, denn erreicht diese die magische Null, heißt es Game Over und komplett zurück an den Anfang. Als kleines Gnadenbrot sind jedoch alle gewonnenen Boni und Levels noch vorhanden, so dass der erneute Einstieg deutlich schneller vonstatten geht.
Beschäftigungstherapie
Unser Protagonist feuert ohne unser Eingreifen alle paar Sekunden seinen Standard-Angriff ab und bewegt sich somit autonom durch die Level. Sollte uns dies jedoch zu lange dauern, oder im Falle eines Boss Kampfes zu brenzlig werden, lässt sich mit unserer Combo eingreifen. Durch einfaches Tippen auf den Bildschirm lädt sich die erste Attacke auf und wir haben im Anschluss genau neun Sekunden Zeit diese zu nutzen, ansonsten wird die Combo erfolglos beendet. Starten wir die Attacke im Zeitlimit wird automatisch die nächste Attacke aufgeladen und so weiter und so fort.
Insgesamt ergibt sich so zwar ein minimalistisches Kontroll-Schema, durch die Möglichkeit die Combo zu modifizieren und in einem gewissen Zeitrahmen zu timen, ergibt sich aber dennoch eine tiefere Erfahrung als einfaches Knopfdrücken. Zudem bringt uns das manuelle Eingreifen deutlich schneller voran: Je nach Level kann der Zeitwächter gute 25 Minuten dazu brauchen, die Gegner eines Levels auszuschalten, so dass nur noch fünf Minuten für den Zwischengegner bleiben. Wer so etwas vermeiden will, kann immer wieder eingreifen und so sicherstellen, dass es schneller voran geht. Doch was machen wir eigentlich, wenn unser Countdown wirklich mal bedrohlich nahe gen Null sinkt? Einfache Lösung: Wir reisen in der Zeit zurück an den Punkt, an dem wir noch genug Zeit hatten.
Zeitreisen für Anfänger
Das Spiel wirft aber ab Tag zwei noch eine andere Mechanik ins Rennen: An manchen Punkten der Geschichte muss man in der Zeit zurück zu gehen, um dort etwas herauszufinden, damit die Story in der Gegenwart weitergehen kann. Das ganze klingt verschachtelt (da wir nicht spoilern wollen, wie das Ganze im Endeffekt aussieht) es ist aber ein netter Twist, der etwas mehr Variation in die Geschichte bringt. Immer wieder kommt es vor, dass wir neue Artefakte oder Waffen erhalten, wenn wir an bestimmte Orte in der Vergangenheit zurückkehren, an denen dann neue Zwischengegner warten. So springen wir permanent zwischen der gegenwärtigen Geschichte und der Vergangenheit hin und her und bewegen uns im Endeffekt immer nur in kleinen Schritten vorwärts.
Dauerrenner mit Pixel-Art
Gleiches gilt für alle Eingaben und Ereignisse im Spiel. Alles hat ein eigenes markantes Feedback und machtlos das Interagieren deutlich einfacher und angenehmer. Es ist zudem erstaunlich, wie Cosmos Rings eine sehr simple aber dennoch interessante Geschichte erzählt, die konstant motiviert hat. Auch nach einigen investierten Stunden des größtenteils gleichen Gameplays hat man Lust weiterzuspielen. Stunden ist ein gutes Stichwort: Ich habe mehr als 6 1/2 Stunden dafür benötigt 3 von 8 Tagen der Story abzuschließen. Die Spielzeit ist also sehr umfangreich und hat einiges an Unterhaltung am Handgelenk zu bieten.
Insgesamt waren wir von Cosmos Rings sehr positiv überrascht. Das Game ist schlüssig und vom Design her nahezu perfekt auf die Begebenheiten der Apple Watch angepasst. Zudem muss auch der Mut gelobt werden, als erster namhaften Entwickler auf eine Plattform aufzuspringen, die in Vergangenheit und Gegenwart deutlich um ihren Platz zu kämpfen hat. Das Spielprinzip von Cosmos Rings ist sicher nicht jedermanns Sache – wer schon mit Runeblade auf der Watch nichts anfangen konnte, der wird auch hier seine Schwierigkeiten haben. Auch wenn Cosmos Rings die deutlich bessere, umfangreichere und schöner polierte Erfahrung ist. Einen bitteren Beigeschmack hat der bereits hohe Einführungspreis von knapp 6 Euro, der sich Ende des Monats noch auf 9 Euro erhöhen soll. Es ist zwar ein gutes Premiumspiel, das viele Stunden Spielspaß bietet, im Endeffekt den Preisbogen aber damit vielleicht überspannt? Wer das Kleingeld übrig hat ,sollte aber dennoch einen Blick riskieren. Mir hat der Ausflug in das zeitlose Universum von Cosmos Rings sehr gut gefallen.
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