„Was? Final Fantasy VI bekommt auf dieser Seite nur knappe drei Sterne? Gleich mal runterscrollen und haten!“ Moment, mein junger Mogry. Nicht so ungestüm. Denn lass mich erst erzählen, wie ich einst mein Herz an dieses Spiel verloren habe. Eine Geschichte voll von Liebe und Leidenschaft sowie Verrat und Enttäuschung. Also, setzen wir uns am besten an dieses Lagerfeuer und ich erzähle Dir jene Geschichte. >>Kwäääk<< Außerdem, wie Du siehst, ist das Chocobo von der langen Lauferei erschöpft. Lassen wir ihn ein wenig am Gizarkraut stärken…

Es begab sich im Jahr 1995. Ich und mein damals bester Freund besaßen jeweils eine SNES-Konsole. Markus, so hieß dieser Freund, hatte zudem einen Adapter, mit den man US-Spiele auf europäischen Konsolen spielen konnte. Ich weiß noch, als wäre es gestern gewesen, als jener Markus eines Morgens freudestrahlend in die Schule kam und mit Final Fantasy VI - TerraBegeisterung verkündete: „Gestern habe ich ein neues Spiel von meinem Onkel bekommen: Final Fantasy III“ (Anm.: Die US-Version wurde seinerzeit unter FFIII verkauft, weil Teil 3 bis 5 nicht in den USA erschienen und man Kontinuität wahren wollte). „Final Fatasy? Nie gehört.“ entgegegnete ich trocken. „Das ist wie Secret of Mana, aber noch viel umfangreicher.“ Das hörte sich interessant an und so gingen wir nach der Schule zu ihm nach Haus. Das Modul wurde eingelegt und ich staunte nicht schlecht.

Das Intro mit dem Schneesturm und dem Berg war das bis dahin Atmosphärischste, was ich gesehen habe. Unser Englisch war im Alter von zehn und elf natürlich noch nicht wirklich ausgeprägt, aber es reichte in der Tat um die Geschichte halbwegs zu verstehen. Um es kurz zu machen: Aus einem Nachmittag wurden viele Nachmittage. Ungelogen: Jeden Tag nach der Schule konnten wir es kaum erwarten das Spiel weiterzuspielen, zu sehen wie es weiterging. Wir kämpften, wir rätselten, wir erlebten das bis dato wohl größte Abenteuer unserer noch recht jungen Videospiellaufbahn. Selbst an den Wochenenden konnten wir kaum aufhören mit dem Spiel. Ganze zwei Monate haben wir gebraucht, bis wir es endlich durchgespielt haben.

In den Folgejahren begegnete mir Final Fantasy VI immer wieder. Sei es auf der Anthology Compilation für die Playstation oder die sehr gute Portierung auf dem Gameboy Advance. Immer wieder zog mich dieses Spiel in seinen Bann. Dann, Ende Januar 2014, erschien die iOS-Version. Ich wollte sie mir gleich kaufen, wurde aber von Berichten im Netz aufgehalten: Ein Bug würde in den Esper Caves das Spiel einfrieren und unspielbar machen. Ich habe also noch eine Weile gewartet bis die Bugs bereinigt wurden und begann erst im April mit dem Spiel.

Terras Geschichte

Final Fantasy VI - BalkonszeneDie Geschichte des Spiels handelt von Terra. Eine magiebegabte Frau, die wegen ihrer Fähigkeiten vom bösen Imperium gejagt wird. Kefka, der Bösewicht des Spiels, möchte ihre Fähigkeiten für seine Kriegsmaschinen einsetzen. Auf der Flucht begegnet sie dem jungen Abenteurer Lock, der sie aus einigen Gefahren rettet. Später im Spiel versammeln sich immer mehr Charaktere um Terra und Lock, unter anderem Edgar, der König von Figaro sowie sein Bruder Sabin. Celes dagegen war Generälin des Imperium, bis sie die Seiten wechselt. Oder Cyan, der durch Kefka seine Frau und Sohn verlor. Insgesamt schließen sich während des Spiels bis zu 14 Charaktere der Party an, von denen jeder seine eigene Geschichte und Motivation hat das Imperium zu stürzen.

Final Fantasy VI war zur damaligen Zeit eine Sensation! Waren Konsolenspiele davor sehr auf Gameplay ausgelegt, bot Final Fantasy VI zum ersten Mal eine komplexe Geschichte mit vielen Wendungen. Bis dahin war dies nur Spielen auf den Heimcomputern vorenthalten. Die Geschichte rund um Terra, den Espern und dem spannenden Kampf gegen Kefkas Imperium gehört bis heute zu den schönsten Geschichten, die je in einem Konsolenspiel umgesetzt wurden.

Das Spielsystem

Wie in JRPGs üblich, wandert man von Stadt zu Stadt, besucht Dungeons und folgt der Geschichte. Das Active Time Battle System, welches in FFVI zum Einsatz kommt, hat die Serie über viele Jahre lang geprägt. Der Spieler wartet, bis ein Balken voll ist und kann dann eine Aktion wie Angriff, Zauber, Items oder Skills wählen. So geht es zwischen den Helden und den Gegnern hin und her. Für jeden gewonnen Kampf gibt es Erfahrungspunkte, Items, Geld und Final Fantasy VI - KampfbildschirmMagiepunkte. Die Werte in FFVI werden beim Levelanstieg automatisch mit angehoben. Die Magiepunkte kommen mit den Espern ins Spiel. Die alten magischen Wesen verwandeln sich zu Maginitsteinen, wenn sie sterben. Diese Steine können von den Helden angelegt werden. Nicht nur können die Geister der Esper im Kampf eingesetzt werden, auch mit Magiepunkten lassen sich verschiedene Zauber und Skills erlernen.

Doch nicht jeder Charakter wird auf diese Art und Weise weiterentwickelt. Der Magier Strago beispielsweise lernt durch die Blaumagie die Fähigkeiten direkt vom Gegner. Der kleine Gau wiederum lernt Fähigkeiten, indem er den Gegner anspringt. Und Celes lernt einige Zauber automatisch beim Levelanstieg.

Wie bereits erwähnt, lassen sich bis zu 14 Charaktere im Spiel finden, von denen vier in der aktiven Party sind. Es braucht durchaus seine Zeit um herauszufinden welche Strategie gerade am besten ist, da jeder Charakter andere Fähigkeiten und Vorlieben hat.

Ansonsten bleibt bei Final Fantasy VI alles wie gehabt: Kleidungsstücke, Waffen, Schilde und Accesoires werden gekauft oder in Schatztruhen gefunden. Es wird sehr viel mit NPCs gesprochen, allgemein präsentiert sich das Spiel sehr dialog-lastig.

Warum, Square, warum?

Ich könnte sicherlich noch viele Seiten über Final Fantasy VI schreiben. Über den grandiosen Soundtrack von Nobuo Uematsu, über die Charakterentwicklungen, den Sidequests und alles was das Spiel zu einem, wenn nicht gar das beste Videospiel aller Zeiten werden lässt (okay, Final Fantasy IX steht in meiner Favoritenliste über den sechsten Teil, aber pssst…). Doch machen wir es kurz!

Nun hat Square Enix schon lange nicht mehr den Glanz, wie es Square einst vor der Fusion mit Enix hatte. Seit 12 Jahren werden die verschiedenen Spiele aus den 90ern neu aufgelegt während die neuen Spiele leider weit weg davon sind, die Klasse der früheren Spiele zu erreichen (vorläufiger Tiefpunkt: Final Fantasy XIII). Gut, geschenkt. Aber mit der Portierung von Final Fantasy VI hat Square Enix endgültig dem Fass den Boden ausgeschlagen. Über den Grafikstil lässt sich sicher streiten: Die Hintergründe sind schön angepasst, dafür finde ich die Figuren hässlich, so deutlich muss ich es sagen. Aber auch das ist gar nicht mal das Schlimmste an dieser Umsetzung…

Final Fantasy VI - SetzerSchlimm an dieser Version ist die Simplifizierung des Spiels! Schon vor der Veröffentlichung hat Producer Takashi Tokita angesprochen, dass die Grinding-Phasen im Spiel entfallen werden. Unter Grinding versteht man in RPGs das Aufleveln der Charaktere. Besonders in alten JRPGs war dieses Szenario sehr oft anzutreffen: Der Spieler kommt mit seiner Party zum Boss eines Dungeons und stellt fest, dass die Charaktere noch viel zu schwach sind. Also heißt es Game Over und man startet vom letzten Speicherpunkt aus. Dann läuft man auf der Oberweltkarte durch die Gegend und trainiert ein wenig.

Genau diese Grinding-Phasen wurden stark eingedämmt. Die Charaktere steigen viel schneller in den Levels auf und die Bossgegner sind in dieser Version zu keiner Zeit eine wirkliche Gefahr. Ich hatte in meinem Durchgang keinerlei Probleme und musste nicht einmal wirklich trainieren. Das mag vielleicht heutigen Spielern entgegenkommen (sind Gamer heute wirklich so ungeduldig oder ist das nur ein Vorurteil bei uns Retrospielern? Schreibt in die Kommentare!) aber ich fühlte mich zu keiner Zeit herausgefordert.

Bei Final Fantasy VI hat diese Designentscheidung auch fatale Folgen im späteren Spiel. In der Geschichte kommt man irgendwann in die Welt des Ruins. Eine Art Parallelwelt, in der die bekannten Locations verlassen, rauher oder ganz zerstört sind. Während die erste Hälfte des Spiels sehr linear abläuft, sind in der Welt des Ruins viele Aufgaben optional. Eines der großen Stärken des Originals war es an dieser Stelle als Spieler herauszufinden, wohin man als nächstes gehen kann, ohne gleich zu sterben, weil man zu schwach ist. Man konnte auch recht früh zum finalen Dungeon gelangen, das war aber nicht wirklich angebracht. In dieser Version ist es so, dass man viele Sidequests gar nicht mehr erledigen muss, um das Spiel beenden zu können. Denn auch später sind die Gegner so leicht zu besiegen, dass man mit einer Standardparty (bei mir bestehend aus Lock, Cyan, Strago und Sabin) kaum Probleme bekommt.

Während in der originalen Spielbalance die späteren Dungeons und Gegner erforderten, dass man strategisch mit Charakteren, Accesoires und Esper agiert und experimentiert, bleibt die Herausforderung in dieser Version auf der Strecke. Und es wurden noch mehr Vereinfachungen eingebaut. Permanent auf dem Schirm ist ein Fragezeichen zu sehen. Tippt man diesen an, erscheint ein Mogry, der dem Spieler sagt was er als nächstes zu tun hat – und das wirklich Schritt für Schritt. Auf der Weltkarte ist nun zudem das nächste Ziel markiert.

Diese Vereinfachungen mögen vielleicht optional ganz nett sein, aber leider lassen sich diese Dinge nicht ausschalten. Ich kann ja verstehen, dass Square das alte Spielsystem für heutige Spieler für zu schwierig hält. Nachvollziehen kann ich es aber nicht. Zum einen war Final Fantasy VI auch schon in seiner Ursprungsform recht moderat im Vergleich zum vierten oder fünften Teil der Reihe. Zum anderen liegt ein großer Zauber des Spiels auch im Entdecken und Ausprobieren. Viele Sidequests bekommt man beim linearen Spielen nie zu Gesicht, da man diese erst entdeckt, wenn man von den vorgegebenen Pfaden abweicht. Indem man nun den Spieler quasi an die Hand nimmt, wird dieser erst gar nicht aufgefordert, die Spielwelt auf eigene Faust zu entdecken. Damit macht man den großen Zauber von Final Fantasy VI zunichte! Nicht nur Sidequests verpasst der normale Spieler auf diese Weise, sondern auch viele lustige und optionale Zwischensequenzen der Partymitglieder.

Warum zwängt Square Enix diese Designentscheidungen einen auf? Warum bekommt man am Anfang des Spiels nicht die Wahl, ob man mit dem originalen Schwierigkeitsgrad und komplett ohne Hilfen spielen möchte?

Mit all diesen Änderungen muss man leider sagen, dass diese Version nicht mehr viel mit dem Originalspiel zu tun hat. Sie traut dem Spieler zu wenig zu und nimmt ihn bei jedem kleinen Schritt an die Hand. Das dazu die Steuerung mit dem virtuellen Steuerkreuz, gerade in Dungeons, nicht sonderlich präzise funktioniert, fällt gar nicht mehr auf bei so vielen Negativpunkten.

Hier haben wir nun ein schönes Beispiel, wie man einen Klassiker nahezu vollständig zerstören kann. Final Fantasy VI gehört zu den bis heute bestdesignten Konsolenspielen. Davon ist in dieser Version nicht mehr viel übrig geblieben. So sehr ich die Originalversion liebe, so sehr möchte ich diejeniegen die Meinung geigen, die hierfür verantwortlich sind. Ist man denn schon soweit, dass man heutigen Videospielern überhaupt nichts mehr zutraut? Muss man denn nun auch solche Meisterwerke nehmen und so simplifizieren, dass vom Charme des Originalspiels kaum etwas übrig bleibt? Ich liebe Final Fantasy VI wirklich, denn das Spiel begleitet mich nun schon seit zwei Jahrzehnten – umso mehr tut es mir im Herzen weh, was man aus diesem Klassiker hier gemacht hat! Mein Tipp an Euch: Spielt lieber die viel bessere Version für den Gameboy Advance, welche ebenfalls eine deutsche Übersetzung spendiert bekommen hat.

[appbox appstore 719401490]

+ hervorragende Geschichte
+ grandioser Soundtrack
+ deutsch
+ iCloud Anbindung
+ Universal App
+ GameCenter Anbindung
– Spielbalance zu simplifiziert
– Spielhilfen nicht ausschaltbar
– neuer Grafikstil
– fehlendes Feeling des Originals
– unpräzise Steuerung