Als im März diesen Jahres Aquiris Game Studio ihr neues iOS Spiel angekündigt haben, geriet ich in dezent-verzückter Erwartungsfreude: Mit Horizon Chase: World Tour wurde ein Racing-Spiel in Aussicht gestellt, welches an alte Amiga-Klassiker wie Lotus Turbo Challenge anknüpfen soll. Bisher hält lediglich das wunderbare 8 Bit Rally jene Flagge im AppStore hoch. So verwundert es nicht, dass Horizon Chase sich nun in der recht aggressiven Werbekampagne vollmundig mit einer ganzen Reihe von Klassikern vergleicht: Out Run von SEGA, Gremlins Top Gear oder Midways Rush-Reihe.
Wenn ein Spiel sich dermaßen mit anderen Spielen vergleicht und indirekt mit deren Namen wirbt, dann werde ich in der Regel etwas skeptisch. Hat das Spiel nicht genug eigenen Charakter? Möchte man auf Teufel komm raus alte Ideen verwerten ohne neue Ideen auszuprobieren? Nun, Horizon Chase versucht durchaus ein wenig Eigenständigkeit zu erzeugen, aber dafür hapert es an ganz anderer Stelle des Spiels…
Wenn man das Spiel startet, wird man mit den ganzen knalligen Neon-Farben begrüßt. Eine schöne Verbeugung vor den 80er Jahren. Durch die vielen Farben und der sehr plastischen 3D-Grafik hebt sich das Spiel wohltuend von anderen Rennspielen ab. Der Umfang des Spiels ist nicht ohne: 73 Strecken erstrecken sich über 32 Städte, welche wiederum in 8 Cups aufgeteilt wurden. Zudem gibt es einige Bonusstrecken. Die unterschiedlichen Cups sowie die Bonusstrecken werden mit Punkten freigeschaltet. Die Punkte werden abhängig von den Platzierungen in den Rennen, den gesammelten Münzen und wie viel Benzin im Tank am Ende eines Rennens übrig bleibt, zusammengerechnet. Bei den Bonusstrecken können Upgrades und neue Autos gewonnen werden. Für neue Upgrades reicht es auf Platz 3 zu kommen, für ein neues Auto muss man das Rennen gewinnen. Zudem werden neue Autos freigeschaltet, wenn alle Rennen eines Cups gewonnen werden.
Dieses System ist für mich auch der erste Fallstrick, dem das Spiel den Spieler stellt. Denn belohnt werden im Endeffekt nur jene, welche gut genug sind die Rennen zu gewinnen, während man sich schon wie der erste Verlierer fühlt, wenn man ein Rennen auf Platz 2 abschließt. Hier wäre ein klassisches Belohnungssystem besser gewesen: Für die ersten fünf Platzierungen bekommt der Spieler unterschiedlich viel Geld um damit neue Upgrades und Autos freischalten zu können. Diese Herangehensweise würde auch weniger gute Spieler motivieren dran zu bleiben.
Denn die Rennen selbst werden sehr schnell richtig schwer. Schon im zweiten Cup und dem dritten Auto brettert man mit einer Mordsgeschwindigkeit durch die Strecken. Dies geht, besonders mit der Touchsteuerung, sehr zu Lasten auf die Spielgenauigkeit. Denn zudem können die Strecken recht eng werden, etwa wenn nur zwei Fahrspuren zu Verfügung stehen. Mit dem Gamepad funktioniert die Steuerung etwas besser. Aber wenn man ein Spiel speziell für iOS entwickelt, sollte man die Spieler ohne Controller nicht aus den Augen lassen.
Erschwerend kommt aber nicht nur der recht knapp bemessene Benzinvorrat hinzu, welchen man mit den entsprechenden Items auf der Strecke wieder auffüllen kann. Sondern vor allem die sehr aggressiv fahrenden Gegner – gegen 19 Mitfahrer muss man sich behaupten. Wenn man mit einem Gegner aneinanderstößt, wird das eigene Auto stark abgebremst. Dies führt nicht selten zu Frustmomenten. Ein Beispiel: Wenn ich mit einem Gegner im Zweikampf um Platz 6 bin und eine Haarnadelkurve kommt, dann passiert es nicht selten, dass mich der Gegner in die Leitplanken drängelt. Mein Auto kommt ins Schleudern, die Gegner fahren mit Blitzgeschwindigkeit vorbei und man findet sich innerhalb von Sekunden zwischen Platz 12 und 15 wieder, eh man das Auto wieder unter Kontrolle beschleunigen konnte. Da ein Rennen nur zwischen 3 und 5 Runden geht, ist es nahezu unmöglich noch gewinnen zu können. Da man für alle Platzierungen unterhalb des ersten Platzes nicht weiter belohnt wird, startet man das Rennen frustriert neu. Schließlich kann sich als Spieler gegen die Gegner nicht wehren. Sobald man sie von hinten berührt, wird das eigene Auto abgebremst, während die Computergegner natürlich mit voller Geschwindigkeit weiterfahren. Nur das seitliche Berühren bremst einen nicht aus.
Dieses Spielprinzip finde ich unfair und sorgt im Zusammenspiel mit dem Belohnungssystem dafür, dass die Motivation schnell abflaut. Und als ob das nicht genug wäre, gibt es im Spiel noch eine sehr nervige Gummiband-KI. Das heißt, dass es immer Gegner gibt, die nah hinter einem fahren. Man kann sich nie ein wenig Platz rausfahren um einen kleinen Fehler vielleicht abfedern zu können.
https://www.youtube.com/watch?v=HQDVSRmhiP0
Fassen wir zusammen: Zu hohe Spielgeschwindigkeit, ein System welches ausschließlich Gewinner belohnt, unfair agierende Computergegner und die Gummiband-KI sorgen dafür, dass auch die wirklich hübsche Grafik, der tolle Soundtrack und die liebevoll gestalteten Strecken nichts mehr bringen. Man verliert als durchschnittlicher Spieler jede Lust und Motivation sich weiter mit dem Spiel zu beschäftigen. Und das ist ausgesprochen schade, da die Technik wirklich toll ist. Sei es durch die Tag- und Nachtwechsel innerhalb eines Rennens, durch die verschiedenen Wettereffekte und den ganz verschiedenen Settings auf den Strecken. All das macht wirklich Spaß sich anzuschauen. Die rockigen Songs laden zum Zuhören ein und im Ganzen erstreckt sich ein wirklich tolles audiovisuelles Erlebnis. Verschiedene Steuerungsoptionen und ein Controller-Support runden das technische Gesamtbild hervorragend ab.
Axel meint: Auf Horizon Chase habe ich mich wirklich gefreut und umso enttäuschter bin ich nun vom Endergebnis. Ich würde mich selbst als fortschrittlichen Racing-Spieler bezeichnen, der sehr gerne verschiedene Rennspiele spielt. Und auch vor schwierigeren Spielen mache ich bekanntlich nicht halt. Mir ist das Spiel hier auf jeden Fall viel zu schwer. Ein schwieriges Spiel muss auch motivierend sein und das ist Horizon Chase nicht im Geringsten. Es ist ein unfairer Arcade-Racer, der nicht im Geringsten an die spielerische Tiefe der beworbenen Vorbilder heranreicht. Im Endeffekt bietet dieses Spiel mal wieder Stil über Substanz – für eine Empfehlung ist das aber zu wenig. Höchstens für frustresistente Hardcore-Rennfahrer interessant. Von mir 2.5/5 Punkten.
Tobi meint: Hier muss ich widersprechen! Ich bin durch die ersten beiden Umgebungen fast in einem Ritt mit dem ersten Platz gefahren und nach rund zwei Stunden immer noch fasziniert von dem Renn-Spiel. Nicht nur die perfekt eingefangene Retro-Optik (aufs heutige Niveau gebracht) und der Sound, sondern die unterschiedlichen Strecken und letztendlich die Nostalgie zieht hier. Die Rennen machen Spaß und verlangen neben guten Reaktionen auch eine überlegte Strategie – wann setzte ich Turbo-Boosts ein und wo sind die PowerUps gelagert. Die Gummiband-KI kann ich nur bedingt nachvollziehen, immerhin gibt es einen Windschatten-Effekt und man kann Gegner seitlich rempeln und so bremsen. Natürlich braucht man auch etwas Glück, dass macht es aber auch spannend. Ich dagegen finde das Upgrade-System gelungen und motivierend! Daher bin ich für meinen Teil bin mit dem Kauf glücklich, bietet doch Horizon Chase genau dass, was ich erhofft hatte… Eine rasante Reise in die Vergangenheit der Videospiele. Und alles ohne InAppKäufe. Abgesehen von fehlenden iCloud Savegames und selbst platzierbaren Buttons fehlt mir absolut nichts, daher von mir 5/5 Punkte!
[appbox appstore 991018252] | |
+ viel Umfang + tolle Grafik + viele Gegner + viele Wagen + Rennstrecken mit verschiedenen Settings + Ohrwurmerzeugender Soundtrack + Mfi-Controller-Support + Gamecenter-Anbindung + Universal-App + deutsch + Keine InAppKäufe |
– nervige Gummiband-KI – unfaires Belohnungssystem – unfairer Schwierigkeitsgrad – hohe Spielgeschwindigkeit – keine iCloud Savegames |