Dass sich ausgerechnet ein ungarisches Programmierteam, A.S.K. Homework, den Pinballtischen von Zaccaria annimmt, um diese zu digitalisieren ist kein Zufall. Die Firma Zaccaria wurde 1974 im italienischen Bologna von den Brüdern Marino, Franco und Natale Zaccaria gegründet und bestand bis 1988 als die Firma bankrott ging und die Markenrechte verkaufte. In den besten Zeiten der Firma, Ende der 70er Jahre, gehörte Zaccaria nach Bally und Williams zu den drittgrößten Pinball-Herstellern der Welt. Während sich Bally und Williams vor allem auf den amerikanischen Markt konzentrierten, waren die Tische von Zaccaria in den Ostblockstaaten verbreitet. Insgesamt 46 verschiedene Tische sind heute bekannt, 26 davon hat das ungarische Indie-Studio in den letzten eineinhalb Jahren digitalisiert.

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Pinball Champ ’82

Wie ein Pinballspiel aufgebaut ist, brauche ich an dieser Stelle nicht auszuführen, dafür gibt es bereits genug Reviews zu anderen digitalen Pinballspielen in unserem Blog. Daher komme ich ohne Umschweife auf die Besonderheiten der Zaccaria-Tische: Als erstes wäre da der Zeitgeist der 70er und frühen 80er. Während es besonders in den 90er Jahren viele Pinballtische mit Lizenzen aus Film, Spiel und Serie gab, waren die Themen ein Jahrzehnt zuvor noch etwas alltäglicher: Fußball, Kartenspiele, Zirkus, Billard, Raumfahrt oder auch Fantasy- und Horrorliteratur standen Pate für das Design der Spielflächen. Es gab keine Mini-Spiele und auch Geschichten wurden mangels Sprachausgabe keine erzählt.

Somit sind die Tische von Zaccaria sehr klassisch. Besonders Schlagtürme, Zielscheiben, Holes und Slingshots bestimmen das Layout. Erst mit späteren Tischen der 80er Jahren hielten weitere Flipperarme oder Bahnen Einzug. Musikausgabe gab es hingegen erst bei den letzten drei Tischen, zuvor hörte man nur die typischen Pinball-Sounds, wenn die Kugel etwa einen Schlagturm trifft. Dafür sind alle Tische knallbunt im besten Comicstil der 70er und 80er Jahre gehalten. Im Gameplay sind die Tische verglichen mit den Tischen von Bally und Williams sehr schnell und einfacher – eine durchschnittliche Spielrunde dauert circa 5 Minuten.

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Locomotive

Was mich bei der Digitalisierung begeistert hat, ist die unglaubliche Detailverliebtheit. Auf einem neueren iGerät sieht die Grafik sehr realistisch aus. Besonders die Kugelphysik ist grandios und schlägt sogar Farsights Pinball Arcade. Was daran liegt, dass diese sich sehr realistisch anfühlt. In ruhigen Momenten hört man sogar das Rollen der Kugel. Es gibt dabei nicht nur die übliche Kugel, sondern man kann wählen, ob man mit einer Kugel aus Metall, Granit oder Glas spielen möchte. Alle haben ihre eigenen physikalischen Eigenheiten. Während sich das Spiel mit einer Granitkugel sehr langsam und zäh spielen lässt, springt die Glaskugel fröhlich über den Tisch. Man kann sogar die Größe der Kugeln einstellen!

Das sind aber noch nicht alle Wahlmöglichkeiten: Es lässt sich einstellen, welche Farben die Flipperarme haben, ob ein Spiel mit 3 oder 5 Kugeln gespielt wird und sogar tiefgründige Einstellungen in der Physikengine und der grafischen Präsentation lassen sich bewerkstelligen.

Besonders die grafischen Spielereien sind sehr hübsch. So kann man in einer hellen oder auch in einer vollkommen abgedunkelten Umgebung spielen. Während man in der hellen Umgebung den Tisch in seiner vollen Pracht sieht, strahlen in der abgedunkelten Umgebung die Lichter der Pinballtische über die Spielfelder. Sowas habe ich noch nie in einem digitalen Pinballspiel gesehen – hier wird die Atmosphäre einer Spielhalle richtig gut eingefangen!

Sehr cool ist aber auch die Möglichkeit, die abdeckende Glasscheibe einzusetzen oder herauszunehmen. Auf der Glasscheibe sieht man Fingerabdrücke, Kratzer oder Spuren von der letzten hastigen Reinigung. Auch das ist durchaus realistisch für Spielhallen und Kneipen der damaligen Zeit. Möchte man aber einen ungetrübten Blick auf das Spielfeld, kann man diese Glasscheibe herausnehmen. Auch das Spielfeld selbst kann mit Kratzern oder Dreckablagerungen versehen werden. Zusammen mit einer zerkratzten Glasscheibe bekommt man so das Gefühl wirklich an einem Automaten zu spielen, welches sei Jahren ununterbrochen in Betrieb ist und nicht einmal gewartet wurde. Das mag zwar nur eine grafische Spielerei sein, auf der anderen Seite wird hier sehr schön die Vergänglichkeit mechanischer Geräte demonstriert. Und das es damals in der Tat viele Kneipen gab, die nicht sonderlich pfleglich mit solchen Geräten umgegangen sind.

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Camera Editor

Insgesamt gibt es 8 verschiedene Kameraeinstellungen sowie die Möglichkeit eigenen Kameraeinstellungen mit einem Editor zu erstellen. Dabei unterstützt Zaccaria Pinball das Hoch- und Querformat Eures iGeräts. Da die meisten Tische keine Musik bieten, hat man sich für die Atmosphäre einen kleinen Kniff überlegt. Im Hintergrund hört Ihr unverständliche Ambientgeräusche von Gästen, die miteinander reden und gelegentlich auch lachen. Besonders zu der Umgebung bei Tag in der Kneipe passt das sehr gut. In der abgedunkelten Umgebung in der Spielhalle jedoch nicht unbedingt – hier wären Geräusche von anderen Spielautomaten besser gewesen.

Ihr seht, dass die Entwickler sehr vielfältige Einstellungsmöglichkeiten bieten, um das Spielerlebnis optimal zu gestalten und das ist verbunden mit der guten Kugelphysik auch die große Stärke des Spiels. Den Tischen selbst können nur Pinballfans etwas abgewinnen, wenn man den typischen Stil der 70er und frühen 80er Jahre mag, als es noch keine Skillshots, Kickbacks, Ball Saver oder eine Matrixanzeige gab. Wer mit weniger durchdachten und konservativ designten Flippertischen Spaß hat, der kommt bei dieser Digitalisierung auf seine Kosten.

Von den zahlreichen digitalen Umsetzungen der Flipper im App Store ist Zaccaria Pinball der Klassiker. Durch alle Tische weht der Charme der 70er und 80er Jahre und besonders Tische wie Locomotive, Soccer Kings, House of Diamonds oder Future World sind als Highlights hervorzuheben. Jeder Tisch kostet als InAppKauf 1,79€. Am besten kommt Ihr mit der Gold Membership für 17,99€, die nicht nur alle Tische, sondern auch Zugang zum Kamera Editor und den Tweaks in den Bereichen Physik und Grafik freischaltet.

Die vielen grafischen Spielereien und Tweaks in der Physikengine heben die Umsetzung von der Konkurrenz ab. Wer mit klassischen Tischen nichts anfangen kann, der wird mit Zaccaria Pinball aber keinen Spaß finden. Für alle anderen echten Pinball-Fans ist das Spiel eine sehr gute Ergänzung zu Farsights Pinball Arcade.

[appbox appstore 620449895]
+ originalgetreue Nachbildung der Tische
+ vielfältige Einstellungsmöglichkeiten
+ unterschiedliche Physik-Tweaks
+ einfache Steuerung
+ Kamera-Editor
+ Hochkant/Quer-Modus
+ acht Kamera-Perspektiven
+ Tag/Nacht-Ansicht
+ Online-Ranking
+ HotSeat-Modus
+ keine Internetverbindung notwendig
+ GameCenter-Anbindung
+ Universal-App
– Fans neuerer Flippertische werden gelangweilt sein