Welche Stilblüten das ganze System bekommt, erkennt man seit einiger Zeit bei den sogenannten 0,10ct Sales im Play Store von Google. Das finde ich sogar noch zynischer als die kostenlosen App der Woche Angebote bei Apple. Wie ist Deine Meinung zu solchen Sales?

Solche Sales finde ich mehr als grenzwertig. Die (teils wirklich extrem) harte Arbeit aller Entwickler wird hierdurch komplett entwertet. Ich meine, 10 Cent. In Worten: ZEHN Cent! Mal ehrlich, geht’s noch? Es ist ja nicht so, dass die Menschen in Europa oder den USA am Hungertuch nagen. Man muss sich das mal vorstellen: Der Wert eines Spieles ist geringer als der einer Zigarette! Ich habe kein Problem zu Werbezwecken ein Spiel zu verschenken, aber 10 Cent halte ich für eine extrem gefährliche Botschaft an die Kunden. Das ist außerdem noch weniger, als wir zu den schlechtesten J2ME Zeiten pro Download bekommen haben. Meine Meinung dazu: Google sollte das lassen und andere Aktionen fahren. Möglichkeiten gäbe es genug.

 

Vorhin wurde schon erwähnt, dass es schwierig ist, mit seinen Spielen in den Stores aufzufallen…

Wie ihr sicher versteht, kann ich wegen diverser Geheimhaltungspflichten nicht alles öffentlich beschreiben. Was ich aber sagen kann, ist dass sich da über die letzten Jahre einiges geändert hat. War es früher noch am wichtigsten, dass das Spiel an sich gut ist und durch Spielspaß oder technisch überzeugt, so stehen heute andere Sachen im Vordergrund. Zum einen wird erwünscht (bei manchen eigentlich eher vorausgesetzt), dass man einen Softlaunch macht und währenddessen das Spiel dahingehend optimiert, noch ein paar Cent mehr aus den Usern zu kratzen, usw. Wir reden hier von einer zusätzlichen Entwicklungszeit von mindestens 3 bis 6 Monaten, manchmal sogar bis zu einem Jahr, bevor das Spiel weltweit verfügbar ist.

Für diejenigen die nicht wissen, wie ein Softlaunch aussieht: Ein Spiel wird nur in ein paar Ländern veröffentlicht (Kanada und Neuseeland sind gängige Softlaunchländer). Da man für einen Softlaunch keine Unterstützung bekommt, muss man schauen, wo man Spieler herbekommt. Also: Geldbeutel noch mal zücken und mindestens 15.000 bis 30.000€ für Werbung ausgeben, die sogenannte „User Acquisition“ (UA). Sprich: Spieler einkaufen. Eine Wissenschaft für sich.

Das perverse an der UA: Spieler werden hier im Endeffekt wie Vieh gehandelt. Ein Gut, eine Ware. Man kauft anderen Spielen deren User ab. Nun gut. Dann wird das Verhalten dieser Spieler studiert. Wo und wann geben sie Geld aus? Wo springen sie ab, bleiben stecken, etc. Auch wieder eine Wissenschaft für sich. Dann Änderungen an Client und Server vornehmen, Update veröffentlichen, AB-Tests machen und so weiter. Das sind Kosten, die sich die meisten Studios und kleinen Entwickler, aber auch kleinere Indie-Publisher nicht leisten können.

Ohne dies und manchmal ebenfalls Offenlegung von Marketingbudgets (teils sogar inklusive Beweisen in Form von Rechnungen) bekommst du kein Feature mehr. Eine traurige Entwicklung, die zum Glück noch nicht überall so extrem ist. Hier spielt das Spiel an sich tatsächlich noch eine wichtigere Rolle als die Daten, im Jargon „Metrics“ und „KPIs“ genannt. „Key Performance Indicator“… Ich nenne das alles nur noch Bullshit-Bingo. Ich hab da keinen Bock mehr drauf. Da weißt du jedenfalls, was Sache ist. Bei so was geht es nicht mehr um das Erleben eines Spiels, eines Abenteuers, sondern einfach nur noch darum, dem „Spieler“ das Geld aus der Tasche zu ziehen. Gerne auch mit psychologischen Tricks.

 

Apple soll vor kurzem eine E-Mail an Entwickler geschickt haben, dass diese ihre Apps innerhalb von 30 Tagen updaten sollen, sonst verschwinden diese aus dem Store. Was bedeutet das eigentlich genau?

Es ist Apple – damit ist eigentlich schon alles gesagt. Ich stehe mit dem Laden derzeit etwas auf Kriegsfuß. Ich mag weder deren Ansätze im Hardwaredesign (ein Telefon ohne Kopfhöreranschluss oder ein hoffnungslos überteuertes „Pro“ Notebook weder mit klassischen USB- noch HDMI-Anschluss und unterirdischer Leistung… WTF!?) noch im Softwaredesign oder in der Firmenpolitik. Bevor die Apple Fanboys jetzt mit den Augen rollen: Ich nutze Apple Computer seit 14 Jahren und schreibe das Interview gerade auf einem dieser hoffnungslos enttäuschenden MacBook Pro’s, weiß also wovon ich rede.

Zurück zu deiner Frage. Mit fast jeder neuen Version von iOS kommen irgendwelche neuen Probleme, Inkompatibilitäten oder ähnliche Sachen. Bis zu einem gewissen Maß kann ich den Ansatz schon verstehen, aber der Legacy-Support von Apple lässt zu wünschen übrig. Beim Kunden stellt das die Entwickler in ein ziemlich schlechtes Licht.
Wir haben bestenfalls eine Woche Zeit mit der finalen iOS Version (vor dem Release ‚Gold Master‘ genannt) zu checken und gegebenenfalls ein Update zu machen. Das ist letzten Endes nicht zu bewerkstelligen. Von neuen Geräten brauchen wir gar nicht erst reden. Wir müssen diese wie jeder anderer ganz normal kaufen – also haben wir diese bestenfalls am Tag der Veröffentlichung. Wir zittern also mit jedem neuen iOS und iPhone und hoffen dass dann noch alles läuft.

Und BÄM! Bei iOS 10 ist die Kacke wieder am dampfen, weil wir ja sonst nichts Besseres zu tun haben als Sachen zu fixen, die immer funktioniert haben und im Endeffekt durch ein neues iOS kaputt gemacht werden. Ja liebe Leute, nicht wir sind Schuld, wenn bei einem neuen iOS etwas nicht läuft, sondern Apple! Zwei Beispiele, was sich gerne mal ändert sind Schnittstellen, die auf einmal anders angesprochen werden müssen oder bestimmte Programmiermethoden, die durch andere ersetzt werden und somit nicht mehr kompatibel sind. Es kommt hinzu, dass sich mit zunehmendem Erfolg von Apple immer mehr Bugs und Probleme in die Betriebssysteme, Dienste und Tools einschleichen. Eine Sache die man von früher nicht kennt.

Apple hat in den vergangenen Jahren viel Müll in den Store gelassen, teilweise mit urheberrechtsverletzenden Inhalten. Ich denke mal, das wird denen langsam bewusst. Außerdem gibt es sehr, sehr viele Apps im Store, die „Leichen“ sind, also nicht mehr richtig oder gar nicht mehr funktionieren, nicht mehr vom Entwickler betreut werden – vielleicht gibt es den Entwickler auch nicht mehr. Ja, das gibt es auch bei uns. Wir checken unser gesamtes Portfolio jedoch regelmäßig bei neuen iOS Versionen – ob alles noch funktioniert. Wir haben schon öfter Spiele offline genommen, da diese unseren Qualitätsansprüchen nicht mehr genügen oder nicht mehr korrekt funktionierten. Die iOS Versionen von Across Age 1 & 2 sind so ein Beispiel. Wir arbeiten aber derzeit mit dem Entwickler daran, die Spiele wieder fit zu machen.

Das bei circa einer Million Apps mal aussortiert werden muss, kann man schon verstehen. Da es sich hier allerdings um Apple handelt, ist der ganze Prozess leider etwas intransparent.